Sharpes Gefecht
auch keine protzigen Schnüre, Ketten, Epauletten und Orden, um seine Autorität unter Beweis zu stellen. Major Ducos war Napoleons Mann in Spanien, und jeder, der etwas zu sagen hatte, angefangen mit König Joseph, wusste das.
»Loup«, sagte die Frau. »Das heißt ›Wolf‹, nicht wahr?«
Diesmal drehte sich Ducos um. »Ihre Landsleute nennen ihn El Lobo«, sagte er, »und er macht ihnen Angst.«
»Abergläubisches Volk lässt sich leicht verängstigen«, entgegnete die Frau verächtlich. Sie war groß und schlank, und ihr Gesicht war nicht wirklich schön, aber es hatte etwas. Es war ein hartes, kluges und einmaliges Gesicht, das man nie wieder vergaß, wenn man es einmal gesehen hatte, mit vollen Lippen, tief liegenden Augen und einem verächtlichen Gesichtsausdruck. Sie war vielleicht dreißig Jahre alt, doch das war schwer zu sagen, denn ihre Haut war von der Sonne so braun gebrannt wie die einer Bäuerin. Andere Frauen von Adel gaben sich große Mühe, ihre Haut so bleich wie Kreide und so weich wie Quark zu halten, doch diese Frau kümmerten solche Moden nicht. Ihre Leidenschaft war das Jagen, und wenn sie ihren Hunden folgte, dann ritt sie wie ein Mann und kleidete sich auch so: Hose, Stiefel und Sporen.
In dieser Nacht trug sie die Uniform eines französischen Husaren: eine hautenge, himmelblaue Hose mit verschlungener ungarischer Spitze auf den Oberschenkeln, einen pflaumenfarbenen Dolman mit blauen Manschetten und weißen Seidenschnüren sowie eine scharlachrote Jacke, die mit schwarzem Pelz abgesetzt war. Gerüchten zufolge besaß Doña Juanita de Elia eine Regimentsuniform jedes Mannes, mit dem sie je geschlafen hatte, und es hieß, ihre Garderobe sei größer als die Salons der meisten anderen Damen. Für Major Ducos war Doña Juanita nichts weiter als eine extravagante Hure, eine Gespielin für die Soldaten, und in Ducos’ undurchsichtiger Welt war Extravaganz ein Problem. Juanita hingegen betrachtete sich selbst als Abenteurerin und Afrancesada , und jeder Spanier, der sich in diesem Krieg auf Frankreichs Seite schlug, war nützlich für Ducos. Und widerwillig musste er auch einräumen, dass diese den Krieg liebende Abenteurerin bereit war, große Risiken für Frankreich einzugehen, und so war Ducos seinerseits bereit, sie mit einem Respekt zu behandeln, den er Frauen gegenüber normalerweise nicht aufbrachte.
»Erzählen Sie mir von El Lobo«, verlangte Doña Juanita.
»Er ist ein Dragonerbrigadier«, sagte Ducos, »der seine Karriere als Stallbursche in der königlichen Armee begann. Er ist sehr tapfer, sehr fordernd, sehr erfolgreich und vor allem gnadenlos.«
Im Allgemeinen beschäftigte sich Ducos nur wenig mit Soldaten. Für ihn waren das allesamt romantische Narren, die zu Imponiergehabe neigten, doch Loup wusste er zu schätzen. Der Brigadier war zielstrebig, unerschütterlich, und er machte sich keinerlei Illusionen. All das waren Qualitäten, die auch Ducos besaß, und Ducos dachte immer, wäre er in die Armee eingetreten, er wäre genau wie Loup. Sicher, genau wie Juanita de Elia hatte auch Loup einen gewissen Hang zur Extravaganz, doch Ducos verzieh dem Brigadier das Theater mit den Wolfspelzen, denn offen gesagt war Loup der beste Soldat, den Ducos in Spanien gefunden hatte, und er würde dafür sorgen, dass man den Dragoner angemessen dafür belohnte.
»Soldaten sind wie Hirschbullen, Madame«, sagte Ducos. »Sie kämpfen miteinander, um festzustellen, wer der Beste im Rudel ist, und sie hassen ihre größten Rivalen mehr als die Tiere, die ihnen keinen Widerstand leisten. Und das, Madame, legt wiederum nahe, dass die Abneigung des Maréchal Brigadier Loup gegenüber Beweis für dessen Fähigkeiten ist.« Und, so dachte Ducos, es war auch wieder solch ein sinnloses Imponiergehabe. Kein Wunder, dass der Krieg in Spanien so lange dauerte und sich als so ärgerlich erwies, wenn ein Maréchal de France seine Launen am besten Brigadier der Armee ausließ.
Ducos drehte sich wieder zum Fenster um, als Pferdegetrappel durch den Tunnel hallte. Er hörte, wie die Neuankömmlinge angerufen wurden, dann öffnete sich knarrend das Tor, und eine Sekunde später tauchten graue Reiter in dem von Fackeln erhellten Torbogen auf.
Doña Juanita de Elia trat neben Ducos. Sie war ihm so nah, dass er das Parfüm auf ihrer protzigen Uniform riechen konnte. »Welcher ist es?«, fragte sie.
»Der ganz vorn«, antwortete Ducos.
»Er ist ein guter Reiter«, bemerkte Juanita de Elia anerkennend.
»Er
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