Sharpes Gefecht
und seine Männer mit Fernrohren auf die andere Seite starren lassen. Vieles, was er hatte, waren aber nur Vermutungen.
Und es war einer dieser Kundschafter, der Loup als Erster Neuigkeiten von der Real Compañía Irlandesa brachte. Ein Trupp grauer Dragoner war auf einen einsamen Hügel geritten, von dem aus man tief nach Portugal hineinschauen konnte, und von dort konnte eine Patrouille auch mit etwas Glück erkennen, wann die Briten ihre Truppen zusammenzogen, um sich zum Angriff zu formieren. Der Spähposten beherrschte ein breites, kahles Tal, wo ein kleiner Fluss im Sonnenlicht funkelte, bevor ein felsiger Hang wieder nach oben führte, und dort stand dann das schon vor langer Zeit verlassene Fort von San Isidro. Das Fort war nur von geringem militärischen Nutzen, denn die Straße, die es bewachte, wurde schon lange nicht mehr benutzt, und nach einem Jahrhundert der Vernachlässigung waren die Mauern, Wehrgänge und Gräben nur noch ein Zerrbild ihrer einstigen Stärke. Jetzt war San Isidro nur noch die Heimat von Raben, Füchsen, Fledermäusen, Schäfern, Banditen und gelegentlich auch die von einer von Loups Patrouillen, die dort die Nacht verbrachte, um sich vor dem Regen zu schützen.
Doch jetzt waren da Männer im Fort, und der Patrouillenführer berichtete Loup davon. Die neue Besatzung sei jedoch kein volles Bataillon, sagte er, nur knapp über hundert Mann. Loup wusste nur allzu gut, dass man mindestens eintausend Mann brauchte, um die brüchigen Mauern des Forts erfolgreich zu verteidigen, also konnte man knapp hundert Mann wohl kaum als Garnison bezeichnen. Trotzdem hatten die Neuankömmlinge sogar ihre Frauen und Kinder mitgebracht. Der Patrouillenführer, ein Capitaine Braudel, glaubte, bei den Männern handele es sich um Briten. »Sie trugen rote Mäntel«, sagte er, »aber nicht die üblichen Ofenrohrhüte.« Er meinte Tschakos. »Sie haben Zweispitze.«
»Infanterie, sagen Sie?«
»Jawohl, Sir.«
»Keine Kavallerie? Und was ist mit Artillerie?«
»Ich habe zumindest keine gesehen.«
Loup reinigte sich mit einem Holzsplitter die Zähne. »Und was haben sie gemacht?«
»Drillübungen«, antwortete Braudel.
Loup grunzte. Er war nicht sonderlich interessiert an einer Gruppe fremder Soldaten, die sich in San Isidro einnisteten. Das Fort stellte keine Bedrohung für ihn dar, und wenn die Neuankömmlinge es sich da nur ein wenig gemütlich machen wollten, dann würde Loup sie auch in Ruhe lassen. Doch dann fügte Capitaine Braudel noch etwas hinzu. »Ein paar von ihnen fielen allerdings aus dem Rahmen«, sagte er. »Das waren keine Rotröcke. Sie trugen Grün.«
Loup starrte ihn an. »Dunkelgrün?«
»Jawohl, Sir.«
Riflemen. Diese verdammten Riflemen. Und Loup rief sich das unverschämte Gesicht des Mannes ins Gedächtnis zurück, der ihn beleidigt hatte, des Mannes, der ganz Frankreich beleidigt hatte, indem er einen Adler gestohlen hatte, der vom Kaiser persönlich berührt worden war. Vielleicht war Sharpe ja in San Isidro.
Ducos hatte Loups Rachedurst nur belächelt. So etwas sei eines großen Soldaten unwürdig, hatte er gesagt. Doch Loup glaubte, dass der Ruf eines Soldaten von den Kämpfen abhing, die er sich aussuchte und die er glorreich gewann. Sharpe hatte Loup getrotzt. Er war der erste Mann gewesen, der sich ihm nach langer, langer Zeit widersetzt hatte, und Sharpe war überdies ein Held der Feinde Frankreichs. Also war Loups Rache nicht nur eine persönliche Angelegenheit. Ein Sieg über Sharpe würde Auswirkungen auf beide Seiten haben, die links und rechts der Grenze auf die Entscheidungsschlacht warteten.
Und so machte sich Loup an diesem Nachmittag persönlich auf den Weg den Hügel hinauf, und er richtete sein bestes Fernrohr auf das alte Fort mit den überwucherten Mauern und dem halb zugeschütteten Graben. Zwei Flaggen hingen schlaff in der windstillen Luft. Die eine war die britische, doch die zweite erkannte Loup nicht. Jenseits der Flaggen übten rot uniformierte Soldaten mit ihren Musketen, aber Loup beobachtete sie nicht lange, sondern richtete das Fernrohr nach Süden, bis er schließlich zwei Männer in grünen Röcken auf dem Wehrgang sah. Auf diese Entfernung konnte er ihre Gesichter nicht erkennen, aber er sah, dass einer der beiden einen ungewöhnlich langen und geraden Säbel an der Hüfte trug, und Loup wusste, dass britische Infanterieoffiziere für gewöhnlich kurze, krumme trugen. »Sharpe«, sagte er laut und schob das Fernrohr wieder zusammen.
Ein
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