Sharpes Gefecht
Geräusch hinter ihm ließ ihn sich wieder umdrehen. Vier seiner wolfsgrauen Männer bewachten dort ein gefangenes Paar. Der Mann trug einen protzig verzierten roten Rock, und das neben ihm war wohl seine Frau oder Geliebte. »Ich habe sie bei den Felsen da unten gefunden«, berichtete der Sergeant, der den Soldaten am Arm festhielt.
»Er sagt, er sei ein Deserteur, mon Général«, fügte Capitaine Braudel hinzu, »und das ist seine Frau.« Braudel spie Tabaksaft auf einen Felsen.
Loup kletterte vom Kamm herab. Jetzt sah auch er, dass die Uniform des Mannes keine britische war. Die Weste und die Schärpe, die halbhohen Stiefel und der Zweispitz mit dem Federbusch, all das war viel zu ausgefallen für die Briten. Tatsächlich war die Uniform sogar so bunt, dass Loup sich kurz fragte, ob es sich bei dem Gefangenen wohl um einen Offizier handelte, doch einen solchen hätte Braudel nie so grob behandelt.
Die Frau wiederum schien Braudel zu gefallen. Schüchtern schaute sie zu Loup hinauf. Sie hatte dunkles Haar, war durchaus attraktiv, und Loup schätzte sie auf fünfzehn oder sechzehn. Loup hatte gehört, dass die spanischen und portugiesischen Bauern ihre Töchter für hundert Francs das Stück als Ehefrauen an die alliierten Soldaten verkauften. Das war genauso viel, wie man in Paris für eine gute Mahlzeit ausgeben musste. Die französische Armee hingegen nahm sich die Mädchen einfach umsonst. »Wie heißt du?«, fragte Loup den Deserteur auf Spanisch.
»Grogan, Sir. Sean Grogan.«
»Und deine Einheit, Grogan?«
»Die Real Compañía Irlandesa, Señor .« Gardist Grogan war offensichtlich zur Zusammenarbeit bereit, und so winkte Loup dem Sergeanten, ihn loszulassen.
Loup befragte Grogan zehn Minuten lang. Er hörte, wie die Real Compañía Irlandesa per Schiff aus Valencia angereist war, und wie die Männer sich schon darauf gefreut hatten, sich dem Rest der spanischen Armee in Cadiz anzuschließen. Doch stattdessen waren sie nun gezwungen, in der britischen Armee zu dienen. Viele der Männer, behauptete der Gefangene, seien einst aus britischem Dienst geflohen, und sie hatten sich nicht beim spanischen König verpflichtet, um anschließend doch wieder dem Tyrannen König George zu dienen.
Loup unterbrach die Tirade des Mannes. »Wann bist du weggelaufen?«, verlangte er zu wissen.
»Letzte Nacht, Sir. Wir waren ein halbes Dutzend. Und in der Nacht zuvor sind auch schon jede Menge weg.«
»Da ist ein Engländer im Fort, ein Offizier der Rifles. Kennst du ihn?«
Grogan runzelte die Stirn, als komme ihm die Frage komisch vor, doch dann nickte er. »Das ist Captain Sharpe, Sir. Er soll uns ausbilden.«
»Ausbilden? Für was?«
»Er soll uns das Kämpfen beibringen, Sir«, antwortete Grogan nervös. Dieser einäugige Franzose mit der ruhigen Stimme machte ihm Angst. »Aber wir wissen schon, wie man kämpft«, fügte er trotzig hinzu.
»Da bin ich mir sicher«, sagte Loup mitfühlend. Wieder stocherte er kurz in seinen Zähnen herum und warf den Holzsplitter dann weg. »Du bist also weggerannt, weil du nicht König George dienen wolltest, Soldat. Ist das korrekt?«
»Jawohl, Sir.«
»Aber für Seine Majestät den Kaiser würdest du doch kämpfen, oder?«
Grogan zögerte. »Jawohl, Sir«, antwortete er schließlich, aber nicht sehr überzeugend.
»Ist das der Grund, warum du desertiert bist?«, fragte Loup. »Weil du für den Kaiser kämpfen willst? Oder hast du einfach nur gehofft, in deine gemütliche Kaserne im Escorial zurückkehren zu können?«
Grogan zuckte mit den Schultern. »Wir sind auf dem Weg zum Haus ihrer Familie in Madrid, Sir.« Er nickte zu seiner Frau. »Ihr Vater ist Schuster, und ich kann auch ganz gut mit Nadel und Faden umgehen. Ich dachte, ich könnte vielleicht sein Handwerk lernen.«
»Es ist immer gut, ein Handwerk zu lernen, Soldat«, sagte Loup und lächelte. Er zog die Pistole aus dem Gürtel und spielte kurz damit herum. Dann spannte er den Hahn. »Mein Handwerk ist das Töten«, fügte er in demselben freundlichen Tonfall hinzu, hob die Waffe, zielte auf Grogans Stirn und drückte ab.
Die Frau schrie, als das Blut ihres Ehemanns auf ihr Gesicht spritzte. Grogan wurde zurückgeworfen, dann sackte er zusammen, und seine Leiche rutschte rückwärts den Hügel hinab. »Er wollte nicht wirklich für uns kämpfen«, sagte Loup. »Er wäre einfach nur ein weiteres Maul gewesen, das wir hätten durchfüttern müssen.«
»Und die Frau, Sir?«, fragte Braudel. Sie hatte sich
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