Sharpes Lösegeld
hatten, behielten wir es nicht. Es ging nach Elba!«
Diese Erklärung kam nicht ganz so gut an, wie er gehofft hatte, denn die meisten Dörfler waren keineswegs von seiner Ehrlichkeit beeindruckt, sondern hielten ihn offenkundig für recht dämlich, sich solch einen Schatz durch die Finger gleiten zu lassen.
»Doch diese Männer …«, Sharpe wies auf Lebecque und die beiden anderen Gefangenen, »… glauben, ich hätte das Gold noch immer in meinem Besitz. Deshalb kamen sie hierher. Sechs von ihnen. Und drei sind noch immer im Château und halten Madame, unser Kind und Marie als Geiseln.« Ein Gemurmel lief durch die Kirche. »Ich bin zu euch gekommen«, schloss Sharpe seine Ansprache ab, »weil ihr meine Nachbarn seid und weil ich eure Hilfe brauche.« Er schleuderte Lebecque mit einem Stoß zu den anderen Gefangenen, dann wandte er sich Pater Defoy zu und zuckte mit den Schultern, als hätte er nichts mehr zu sagen.
In der Kirche herrschte einige Sekunden lang tiefes Schweigen, dann erhob sich heftiges Gemurmel. Ein Mann wollte wissen, wieso sie Sharpe überhaupt helfen sollten, und Sharpe breitete die Arme aus, als wollte er sagen, ihm falle auch kein guter Grund dafür ein. »Aber ihr alle kennt Madame«, sagte er, »und auch Marie lebt schon ihr ganzes Leben hier. Würdet ihr denn zwei eurer Frauen diesen Räubern überlassen?«
Pater Defoy schüttelte den Kopf. »Aber wir sind keine Soldaten! Wir sollten die Gendarmen aus Caen rufen.«
»Falls wir in diesem Schneesturm überhaupt nach Caen durchkommen«, erwiderte Sharpe. »Und bei Einbruch der Nacht stirbt Lucille, während die Gendarmen noch immer ihre Stiefel suchen.«
»Aber was sollen wir denn Ihrer Meinung nach tun?«, fragte ein anderer Mann offen heraus.
»Er will, dass wir für ihn kämpfen«, sagte Jacques Malan aus dem hinteren Teil der kleinen Kirche. »So machen es die Engländer jedes Mal. Sie lassen die Deutschen für sich kämpfen, die Spanier, die Portugiesen, die Schotten, die Iren, jeden, nur nicht die Engländer. Die Engländer kämpfen nicht, sie lassen andere leiden.« Ein zustimmendes Gemurmel erhob sich von Malans Anhängern, doch als Sharpe mit langen Schritten den Gang entlang auf ihn zukam, sah Malan kurz erschrocken auf. Der große Mann fasste seinen Knüppel fester, aber er tat nichts, als Sharpe sich an ihm vorbeischob.
»Nach draußen«, sagte Sharpe und öffnete die Kirchentür.
»Ich gehorche Ihnen nicht«, erwiderte Malan störrisch.
»Sie haben wohl den Mut verloren, Sie Maulheld?« Mit einem höhnischen Grinsen trat Sharpe hinaus in den Schnee. »Große Worte, nichts dahinter?«
Wie ein wütender Stier stürmte Malan aus der Kirche, doch Sharpe saß auf der niedrigen Mauer vor dem Gotteshaus. »Stehen Sie auf!«, schrie Malan ihn an.
»Bringen Sie’s hinter sich«, sagte Sharpe, »schlagen Sie mich.« Er sah die Verwirrung in Malans Gesicht. »Darauf warten Sie doch schon das ganze Jahr, oder? Auf eine Gelegenheit, mich zu schlagen. Also, machen Sie schon.«
»Stehen Sie auf!«, rief Malan wieder, und seine Anhänger, die ihm aus der Kirche gefolgt waren, knurrten zustimmend.
»Ich werde nicht gegen Sie kämpfen, Jacques«, sagte Sharpe, »weil ich es nicht muss. Ich bin in genauso vielen Schlachten gewesen wie Sie, und ich muss nichts beweisen. Aber Sie, Sie haben etwas zu beweisen. Sie mögen mich nicht. Genauer gesagt scheinen Sie niemanden zu mögen. Sie machen den ganzen Tag über nichts als Scherereien. Sie sollten doch Feuerholz zum Pfarrhaus bringen, oder? Aber Sie haben es nicht getan, weil Sie sich lieber vom Geld Ihrer Mutter im Wirtshaus besaufen. Warum machen Sie sich nicht nützlich? Ich könnte Sie gut brauchen. Ich habe ein verrostetes Schütz, das instand gesetzt werden muss, ich habe einen Mühlgraben freizuräumen, und nächsten Monat bekomme ich eine Ladung Steine aus Caen, mit denen ich den Hof neu pflastern will. Ich könnte einen starken Mann gut brauchen, aber im Moment brauche ich einen Soldaten. Einen guten Soldaten, keinen fetten Säufer, der seiner Mutter auf der Tasche liegt.«
Malan trat vor und hob den Knüppel. »Stehen Sie auf!«, befahl er.
»Wozu?«, fragte Sharpe. »Damit Sie mich gleich wieder niederhauen?«
»Sie haben Angst!«, höhnte Malan.
»Vor einem Säufer?«, erwiderte Sharpe verächtlich.
»Sie wagen es, mich einen Säufer zu nennen?«, brüllte Malan. »Sie? Ein Engländer? Ihr wart doch in jeder Schlacht besoffen!«
»Das stimmt«, gab Sharpe zu, »aber
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