Sharpes Trafalgar
mit Enterhaken an die größere Victory gekrallt, seine Kanoniere hatten ihre Stückpforten geschlossen und die Entermesser genommen, und jetzt suchten die Franzosen einen Weg, um auf Nelsons Deck zu gelangen. Die Victory war höher als der Franzose, und selbst wenn sich ihre Rümpfe berührten, waren ihre Relinge immer noch dreißig oder vierzig Fuß voneinander entfernt.
Die Geschütze der Victory beschossen den Rumpf des Franzosen, während das französische Schiff Dutzende Männer in der Takelage hatte, die tödliche Musketensalven auf die Decks des Flaggschiffs feuerten. Sie hatten diese Decks fast geräumt, sodass die Briten jetzt von ihrem Unterdeck kämpften, während die Franzosen einen Weg hinüber auf das praktisch unverteidigte Hauptdeck suchten. Der französische Kapitän wollte Hunderte Männer auf die Victory schicken. Damit würde er sich einen Namen machen, Admiral werden und Nelson als Gefangenen nach Cadiz bringen.
Chase stieg ein Stück an den Wanten des Besanmastes hoch, um verfolgen zu können, was geschah, und was er sah, erschreckte ihn. Er konnte weder den Admiral noch Captain Hardy sehen. Ein paar rotberockte Seesoldaten duckten sich hinter Geschützen und erwiderten schwach den Kugelhagel der Musketen, der immer noch aus der Takelage des Franzosen herabpeitschte, während auf der anderen Seite der Victory ein anderes feindliches Schiff auf ihren Rumpf feuerte.
Chase sprang aufs Achterdeck zurück. Er gab dem Steuermann eine Anweisung und nahm dann ein Sprachrohr von der beschädigten Reling. »Clouter! Haben Sie auch Musketenkugeln geladen?«
»Volle Ladung davon, Sir!«
Das feindliche Schiff war noch etwa hundert Yards entfernt. Das Kanonenfeuer der Victory war jetzt aufwärts gerichtet, weil Hardys Kanoniere die Neigung der Geschützrohre so weit erhöht hatten, wie es möglich war. Löcher wurden hoch in die Steuerbordseite des Franzosen geschossen, doch die britischen Kanoniere feuerten blind, und die Enterer versammelten sich hinter der Bordwand auf dem Hauptdeck, das von den britischen Geschützen nicht erreicht werden konnte. Der französische Kapitän rief seinen Männern zu, die Großrahe fallen zu lassen und zu schwenken, damit sie als Brücke zum Ruhm dienen konnte. Seine Takelage hatte sich in der Takelage der Victory verfangen, aber seine war voller Männer und die der Victory war leer. Das Peitschen der Musketen klang durch das tiefe Wummern der Geschütze. Holz splitterte vom französischen Deck unter dem Einschlag der Kugeln.
Noch fünfzig Yards. Der Wind war schwach. Die See war bedeckt mit Streifen wie Nebel. Die Dünung hob die Pucelle ostwärts.
»Ein Strich backbord, John«, sagte Chase zum Steuermann. »Bring mich an sein Achterschiff.« Der Rauch vom Heck des französischen Schiffes lichtete sich, und Chase sah den Namen des Schiffes, dessen Besatzung die Victory zu entern drohte. Die Redoutable. Tod der Redoutable, dachte er, und in diesem Augenblick lockerten die Seeleute des französischen Schiffs das Fall der Großrahe, und das große Rundholz krachte auf das zerschmetterte Hängemattennetz. Es blieb wie ein in Segeltuch gehüllter Baumstamm über der Bordwand der Redoutable liegen, doch das Ende ragte gerade hinüber zum Hauptdeck der Victory. Es war eine schmale Brücke, doch ausreichend für die Franzosen.
»A l'abordage!«, rief der französische Kapitän. Er war ein kleiner Mann mit sehr lauter Stimme. Er hatte seinen Degen gezogen. »A l'abordage!«
Seine Männer brachen in Hurrageschrei aus, als sie über die Rahe strömten.
Die Pucelle hob sich auf einer Welle.
»Jetzt!«, rief Chase zum Vordeck. »Jetzt, Clouter, jetzt!«
Und Clouter zögerte.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2011
KAPITEL 11
Malachi Braithwaite hatte in gestochener Handschrift geschrieben, dass Lord Williams Frau Grace eine ehebrecherische Beziehung mit Ensign Sharpe hatte. Er hatte die beiden beim Geschlechtsverkehr in Sharpes Quartier an Bord der Calliope belauscht und aus den zügellosen Geräuschen in der Kabine geschlossen, dass Ihre Ladyschaft ihren Stand in der Ekstase völlig vergessen hatte. Braithwaite hatte mit einer billigen Tinte geschrieben, in wässrigem Braun, und es war schwierig, die Buchstaben in dem schummrigen Licht zu entziffern. Der Sekretär berichtete, dass er zuerst seinen eigenen Ohren nicht getraut hätte und er es kaum habe glauben können, als er Lady Grace in der Dunkelheit vor der Morgendämmerung aus
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