Sharpes Trafalgar
Wangen. Teils weinte sie aus Scham. Wenn sie mit Sharpe zusammen war, schien es so schön und aufregend zu sein, doch das konnte sie nicht zu ihrer Verteidigung sagen. Sharpe war ein gewöhnlicher Soldat, ein Waisenkind aus einem Elendsviertel in London. Wenn die Gesellschaft jemals von ihrer Affäre erfuhr, dann würde sie Zielscheibe des Spottes werden. Einem Teil von ihr war es gleichgültig, ob sie verspottet wurde, aber ein anderer Teil zuckte unter der Peitsche von Lord Williams Zorn zusammen. Grace kam sich vor, als wäre sie hier in der Tiefe des Schiffs unter den Ratten und verloren.
Lord William sah ihre Tränen und hielt sie für das erste Anzeichen auf seine Rache. Dann blickte er zu den Planken des Orlopdecks auf und runzelte die Stirn.
»Es ist seltsam still«, sagte er und versuchte, sie verwirrt zu halten, indem er über die Schlacht sprach, bevor er sie weiter mit seiner scharfen Zunge quälte. »Vielleicht sind wir von der Schlacht davongesegelt?« Er konnte das Grollen fernen Kanonendonners hören, aber kein Geschütz wurde mehr auf der Pucelle abgefeuert. »Ich erinnere mich, wie wir uns kennen lernten, und mein Onkel mir vorschlug, dich zu heiraten«, sagte er und legte die Pistole auf seine Knie. »Ich hatte natürlich meine Zweifel. Dein Vater ist ein Taugenichts, und deine Mutter eine geschwätzige Närrin, aber du bist klassisch schön, und ich muss zugeben, dass mich diese Schönheit anzog. Ich ahnte zwar, dass du dich mit deiner Erziehung nur groß tust, doch du hast bessere Bildung bewiesen, als ich vermutet habe, und ich befürchtete, dass du eigene Meinungen haben könntest, nahm allerdings an, dass sie albern sind, aber ich war darauf vorbereitet, solche Mängel zu ertragen. Ich glaubte, dass meine Geilheit auf deine Schönheit meine Abneigung gegen deine intellektuellen Mängel überwinden würde, und so habe ich sehr wenig von dir verlangt, außer dass du mir einen Erben schenkst und die Würde meines Namens aufrechterhältst. Beides ist nicht geschehen.«
»Ich habe dir einen Erben geschenkt«, protestierte Grace unter Tränen.
»Diesen kränklichen Balg?«, fauchte Lord William, und ihn schauderte. »Es sind deine anderen Mängel, die mir jetzt zu schaffen machen, meine Liebe. Dein Mangel an Geschmack, an Benehmen, an Anständigkeit, an Treue und ...«, er legte eine Pause ein, suchte nach der richtigen Beleidigung, »... an Manieren!«
»Braithwaite hat gelogen!«, schrie Grace. »Er hat gelogen!«
»Das hat er nicht«, sagte Lord William. »Du hast es mit diesem einfachen Soldaten getrieben, mit diesem unwissenden Lump, diesem Primitivling.« Seine Stimme war jetzt kalt, denn er konnte seinen Zorn nicht länger verbergen. »Du hast mit einem Bauern gevögelt, und du hättest nicht tiefer sinken können, indem du als Hure auf der Straße deine Röcke gehoben hättest.«
Lady Grace starrte ihn an. Ihr Mund stand offen, als ringe sie um Atem. Und die Tränen tropften auf ihren Mantel. Ihre Augen waren voller Tränen und schienen nichts wahrzunehmen.
»Und jetzt siehst du so hässlich aus«, sagte Lord William, »was mir dies viel leichter machen wird.« Er hob die Pistole.
Und von Neuem hallte ein Schuss über das Schiff.
Clouter zog nicht die Abzugsleine, als Chester ihm den Feuerbefehl gab. Er wartete. Für Sharpe und jeden anderen Beobachter hatte es den Anschein, dass Clouter zu lange wartete und dass die Franzosen das Hauptdeck der Victory erreichen würden, doch die Pucelle hatte sich auf einer Welle gehoben, und Clouter wartete darauf, dass das Schiff sich wieder senkte. So war es, und so feuerte Clouter zum perfekten Zeitpunkt, sodass die Ladung aus Musketen- und Kanonenkugeln in die Franzosen peitschte, die über die Spiere kletterten, über die sie auf das ungeschützte Deck der Victory gelangen konnten. Einen Moment lang war es ein Enter-Kommando, dann war es ein Blutbad. Die zwischen den Schiffen liegende Rahe und das Segel waren blutgetränkt, und die Franzosen waren verschwunden, durch den Metallsturm hinweggefegt.
Die Pucelle glitt jetzt am Achterschiff der Redoutable vorbei. Sie war eine Pistolenschussweite entfernt, und die großen Geschütze von Chases Backbord-Breitseite brachten dem Feind weitere Vernichtung. Chase hatte den Kanonieren befohlen, die Rohre ihrer Geschütze so auszurichten, dass die Schüsse durch die Seite des Franzosen krachten und aufwärts durch das Deck schlugen, auf dem sich die Männer drängten. Schuss um Schuss fiel von der
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