Sharpes Trafalgar
ein Kollege von Sharpe.
»Wellesley ist starrköpfig«, sage Sharpe. »Er erkennt eine Chance und greift danach.«
»Und er ist nach England zurückgekehrt?«
»Im letzten Jahr.« Sir Arthur war - wie es sich für seinen Rang geziemte, mit der Trident , Admiral Rainiers Flaggschiff, gesegelt und hielt sich jetzt vermutlich in Britannien auf.
»Er wird sich zu Hause langweilen«, meinte Pohlmann.
»Langweilen? Warum?«
»Weil unser mürrischer Captain Cromwell recht hat. Britannien kann nicht Frankreich in Europa bekämpfen. Es kann am Ende der Welt gegen Frankreich kämpfen, aber nicht in Europa. Die französische Armee, mein lieber Sharpe, ist kein wilder Haufen. Sie ist nicht wie unsere Armee. Sie ist nicht auf Knastbrüder, Versager und Säufer angewiesen, sondern besteht aus Wehrpflichtigen. Deshalb ist sie so erfolgreich.«
Sharpe grinst. »Die Knastbrüder, Versager und Säufer haben Sie fertiggemacht.«
»Stimmt«, gab Pohlmann zu, ohne beleidigt zu sein, »aber sie können sich nicht gegen die Riesenarmee von Frankreich behaupten. Keiner kann das. Jetzt nicht. Und wenn sich die Franzosen entscheiden, eine anständige Marine aufzubauen, mein Freund, dann werden Sie sehen, dass die Welt bald nach Ihrer Pfeife tanzt.«
»Und Sie?«, fragte Sharpe. »Wo werden Sie tanzen?«
»Hannover«, sagte Pohlmann. »Ich werde ein großes Haus bauen, es mit Frauen füllen und die Welt aus meinen Fenstern heraus beobachten. Oder vielleicht werde ich in Frankreich leben. Die Frauen sind dort schöner, und ich habe eines in meinem Leben gelernt, Sharpe, und das ist, dass Frauen Geld lieben. Warum hat Ihrer Meinung nach Lady Grace Lord William geheiratet?« Er blickte zum Achterdeck, auf dem Lady Grace, begleitet von ihrem Dienstmädchen, auf und ab schlenderte. »Wie läuft Ihr Feldzug um die Lady?«
»Gar nicht«, erwiderte Sharpe brummig. »Es gibt keinen Feldzug.«
Pohlmann lachte. »Warum nehmen Sie dann meine Einladungen zum Abendessen an?«
In Wirklichkeit war Sharpe von Lady Grace besessen. Vom Moment des Erwachens am Morgen bis zum Abend, wenn er endlich einschlief, dachte er fast nur an sie. Sie wirkte unberührbar, kühl und distanziert, und das machte seine Besessenheit nur noch schlimmer. Sie hatte nur einmal zu ihm gesprochen, dann nie wieder, und wenn Sharpe sie zum Abendessen in der Kapitänskajüte traf und versuchte, sie in eine Unterhaltung zu verwickeln, dann wandte sie sich ab, als sei seine Anwesenheit eine Beleidigung für sie.
Sharpe dachte ständig an sie und beobachtete sie. Er bemühte sich sehr, sich seine Besessenheit nicht anmerken zu lassen, doch sie war da, quälte ihn in den langweiligen Stunden, in denen sich die Calliope ihren Weg durch den Indischen Ozean bahnte.
Die Winde meinten es weiterhin gut, und jeden Tag meldete Tufnell, der Erste Leutnant, die Entfernung, die der Konvoi zurückgelegt hatte: zweiundsiebzig Meilen, achtundsechzig Meilen, siebzig Meilen, fast stets die gleiche Distanz.
Das Wetter war schön und trocken, trotzdem schien das Schiff unter den Decks durch die Feuchtigkeit zu verrotten. Selbst bei den tropischen Winden, die den Konvoi südwestwärts bliesen, floss etwas Wasser durch die unteren geschlossenen Stückpforten, und das Unterdeck, auf dem Sharpe schlief, war niemals trocken. Seine Decken waren feucht, das Holz des Schiffes war feucht, die ganze Calliope weinte vor Wasser, stank und vermoderte, von Pilzen befallen und von Ratten geplagt. Seeleute bemannten ständig vier Pumpen, und das Wasser schwappte aus den Rohren in Abwasserrinnen auf dem Unterdeck, die das stinkende Bilgenwasser über Bord leiteten. Doch je mehr sie pumpten, desto mehr musste aus dem Rumpf gesaugt werden.
Die Ziegen hatten eine Infektion. Die meisten verendeten in den ersten vierzehn Tagen, und so gab es keine frische Milch mehr für die Passagiere im Zwischendeck. Die frische Nahrung war bald aufgebraucht, und was übrig blieb, war salzig, hart und von fadem Geschmack. Das Wasser war schmutzig, verfärbt und stinkend, nur für starken Tee zu gebrauchen, und obwohl Sharpes Filtermaschine etwas von der Verunreinigung entfernte, tat sie nichts, um den Geschmack des Wassers zu verbessern. Nach zwei Wochen war der Filter so verstopft mit braunem Schmutz, dass Sharpe die Maschine ins Meer warf. Er trank Arrak und saures Bier oder in Cromwells Kapitänskajüte Wein, der kaum besser als Essig war.
Frühstück gab es jeden Morgen um acht. Die Passagiere des unteren Zwischendecks
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