Sharpes Trafalgar
kleinen Eingangskorridor bis zur Kapitänskajüte geworfen wurde. Nur der Kapitän, Major Dalton, Pohlmann, Mathilde und Lord William mit Lady Grace warteten dort. Die anderen drei Passagiere waren entweder seekrank oder aßen in ihren Kabinen.
»Sie sind wieder der Gast des Barons?«, fragte Cromwell anzüglich.
»Stört es Sie, dass Mister Sharpe mein Gast ist?«, fragte Pohlmann hitzig.
»Er isst auf Ihre Kosten, Baron, nicht auf meine«, grollte Cromwell, dann winkte er Sharpe auf seinen üblichen Platz. »Nehmen Sie um Gottes willen Platz, Mister Sharpe.« Er hob eine Hand, um etwas zu sagen, doch in diesem Augenblick schlingerte das Schiff. Holz ächzte alarmierend, und die Essbestecke glitten über den Tisch.
»Möge Gott diese Lebensmittel segnen«, sagte Cromwell, »und uns dankbar für ihren Nährwert machen, im Namen des Herrn, Amen.«
»Amen«, sage Lady Grace distanziert. Ihr Mann sah blass aus und klammerte sich an die Tischkante, als könne er damit die Schlingerbewegungen des Schiffes mildern. Lady Grace hingegen wirkte ziemlich unbeeinflusst von Wetter und Seegang. Sie trug ein rotes Kleid mit einer Perlenkette. Ihr schwarzes Haar war hochgesteckt und wurde von Nadeln gehalten, die mit Perlen verziert waren.
Das Schlingern des Schiffes machte die Mahlzeit zu einer heiklen Angelegenheit. Cromwells Steward servierte als Erstes eine dicke Fischsuppe.
»Frischer Fisch!«, prahlte Cromwell. »Heute Morgen gefangen. Ich habe keine Ahnung, welche Fische das waren, aber es ist noch niemand auf meinem Schiff an einem unbekannten Fisch gestorben.« Der Kapitän löffelte die Suppe und hielt den Teller so, dass nichts daraus überschwappen konnte, wenn sich das Schiff neigte. »Natürlich starben schon Männer an Bord. Sie fielen aus der Takelage, Leute starben am Fieber, und ich hatte sogar einen Passagier, der sich wegen unerwiderter Liebe selbst umgebracht hat, aber nie starb jemand an giftigem Fisch.«
»Unerwiderte Liebe?«, fragte Pohlmann amüsiert.
»Das kommt schon mal vor, Baron, ja, das gibt es«, sagte Cromwell und ließ sich die Suppe schmecken. »Es ist ein wissenschaftlich bestätigtes Phänomen, dass eine Seereise niedere Instinkte weckt. Sie werden mir verzeihen, dass ich die Sache erwähne, Mylady«, fügte er hastig an Lady Grace gewandt hinzu, die seine verbale Grobheit ignorierte.
Lord William kostete nur an der Fischsuppe und ließ dann seinen Teller stehen. Lady Grace schaffte es, ein paar Löffel zu essen, schob dann jedoch den Teller von sich, weil ihr die übel riechende Suppe nicht schmeckte. Der Major aß herzhaft, Pohlmann und Mathilde hungrig und Sharpe vorsichtig, weil er sich nicht mit schlechten Manieren vor Lady Grace blamieren wollte. Gräten verfingen sich zwischen seinen Zähnen, und er versuchte sie unbemerkt zu entfernen, denn er hatte gesehen, wie es Lady Grace schauderte, wenn Pohlmann sie auf den Tisch spuckte.
»Kaltes Rindfleisch mit Reis«, kündigte der Captain den nächsten Gang an, als biete er die nächste Köstlichkeit vom Festschmaus an. »Erzählen Sie mir, Baron, wie haben Sie Ihr Vermögen gemacht? Sie haben meines Wissens gehandelt, ist das richtig?«
»Ich habe gehandelt, ja, das ist richtig.«
Lady Graces Kopf ruckte hoch. Sie runzelte die Stirn, dann tat sie so, als interessiere sie sich nicht für die Unterhaltung. Die Weinkaraffen rasselten in ihren Metallhaltern. Das ganze Schiff knarrte, ächzte und erzitterte, wenn sich eine größere Welle an ihrem Bug brach.
»In England handeln die Aristokraten nicht«, sagte Cromwell. »Sie halten das für unter ihrer Würde.«
»Englische Lords besitzen Land«, erwiderte Pohlmann, »doch meine Familie verlor ihre Ländereien vor hundert Jahren, und wenn man kein Land besitzt, muss man für seinen Lebensunterhalt arbeiten.«
»Und mit welcher Tätigkeit tun Sie das?«, fragte Cromwell. Sein feuchtes Haar fiel bis auf seine Schultern.
»Ich kaufe und verkaufe«, sagte Pohlmann. Die Befragung machte ihm offensichtlich nichts aus.
»Und auch erfolgreich!« Captain Cromwell schien die Unterhaltung angefangen zu haben, um seine Gäste vom Rollen und Stampfen des Schiffes abzulenken. »Und jetzt schaffen Sie also Ihren Reichtum nach Hause, und das ist auch ganz richtig so. Wo ist Ihr Zuhause? In Bayern? Preußen? Hessen?«
»Hannover«, sagte Pohlmann, »aber ich spiele mit dem Gedanken, mir ein Haus in London zu kaufen. Lord William kann mir da zweifellos einen Rat geben.« Er lächelte über den
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