Sharpes Zorn (German Edition)
Blutspur auf den Nadeln hinterlassen. In der linken Hand hielt er ein Kreuz, in der rechten noch immer das Gewehr. Fünf Schritte weiter lag ein Rotrock. Er zitterte und würgte, und deutlich war ein Einschussloch auf seiner Jacke zu sehen.
Dann ließ Sharpe die Bäume hinter sich …
… und was er fand, war ein Gemetzel.
Major Browne stieg zu Fuß den Hügel hinauf. Sein Pferd hatte er an eine Pinie gebunden. Der Major sang, während er den Hang hinaufmarschierte. Und er hatte eine schöne Stimme, mit der er in der Garnison von Gibraltar sogar schon mehrmals aufgetreten war. Er sang »Hearts of Oak«, ein altes Navylied, das die Seeleute in Gibraltar häufig sangen. Zwar passte es nicht so ganz für einen Angriff den Cerro del Puerco hinauf, aber der Major mochte es einfach. »Ich will euch hören!«, brüllte er, und die sechs Kompanien des eilig zusammengestellten Bataillons sangen aus Leibeskräften.
In der kurzen Stille, die auf den Refrain folgte, hörte der Major das verräterische Klicken von Hähnen, die auf der Hügelkuppe gespannt wurden. Er konnte vier französische Bataillone sehen, und er nahm an, dass weitere hinter ihnen standen, und die vier waren bereit zu töten. Eine Kanone wurde nach vorn gerollt, sodass ihr Rohr den Hang hinunter zeigte. Eine Kapelle spielte ein fröhliches Lied auf der Hügelkuppe, die ideale Musik zum Töten, und Browne schlug mit den Fingern auf dem Heft seines Degens unwillkürlich den Takt zu der französischen Melodie. »Kümmert euch nicht um diesen dreckigen, französischen Lärm, Jungs!«, brüllte er. Nicht mehr lange , dachte er, nicht mehr lange . Er wünschte nur, er hätte auch eine Kapelle, die ein ordentliches britisches Stück spielen konnte, doch die hatte er eben nicht, und so sang er aus voller Brust die letzte Strophe von »Hearts of Oak«. »Wir werden sie trotzdem das Fürchten lehren und sie an Land genauso fertigmachen wie zur See! Kopf hoch, Jungs! Und lasst uns mit einer Stimme singen! Für unsere Soldaten! Für unsere Seeleute! Für unsere Generäle! Für unseren König!«
Die Franzosen eröffneten das Feuer.
Die Hügelkuppe verschwand im Pulverdampf. Blitze zuckten aus dem Rauch hervor, und eine gewaltige Explosion erschütterte die Luft, denn auch das Geschütz hatte gefeuert. Kugeln pfiffen über den Hang, und Browne, der seinen Männern dicht auf den Fersen folgte, hatte den Eindruck, als wäre die Hälfte von ihnen bereits zu Boden gegangen. Er sah Blut auf ihren Köpfen, hörte das Stöhnen, und er wusste, dass bald das Schreien beginnen würde. Dann brüllten die Linienführer im Zentrum: »Aufschließen! Aufschließen!«
»Rauf, Jungs, rauf!«, rief Browne. »Macht sie fertig!« Er hatte mit fünfhundertsechsunddreißig Musketen begonnen, nun hatte er nur noch etwas mehr als dreihundert, und die Franzosen verfügten über mindestens tausend mehr, und als er über einen am Boden zuckenden Körper stieg, sah Browne, dass der Feind schon wieder die Ladestöcke in die Läufe rammte. Es war ein Wunder, dachte er, dass er überhaupt noch am Leben war. Ein Sergeant fiel an ihm vorbei. Der Unterkiefer des Mannes war weggeschossen, und seine Zunge hing in einem Bart aus Blut. »Rauf, Jungs!«, rief Browne. »Rauf zum Sieg!« Eine weitere Kanone feuerte, und drei Männer wurden zurückgeschleudert, schlugen in die Reihen hinter ihnen und verschmierten das Gras mit Blut. »Auf zum Ruhm!«, schrie Browne. Und wieder schossen die französischen Musketen, und ein Junge neben Browne griff sich an den Bauch, riss die Augen auf, und Blut sickerte zwischen seinen Fingern hervor. »Vorwärts!«, brüllte Browne. »Vorwärts!« Eine Kugel riss seinen Dreispitz herum. Browne hatte den Säbel gezogen. Die Franzosen feuerten ihre Musketen ab, kaum dass sie geladen waren. Sie warteten nicht auf den Befehl zur Salve. Rauch quoll den Hügel herab, und Browne hörte, wie die Kugeln Fleisch trafen, und er wusste, dass er seine Pflicht erfüllt hatte. Mehr konnte er nicht tun. Seine überlebenden Männer suchten hinter den kleinsten Felsen oder Dickichten Deckung, und nun erwiderten sie das Feuer wie Plänkler. Zu mehr waren sie auch nicht mehr in der Lage. Die Hälfte von Brownes Männern war entweder tot oder verwundet. Sie lagen überall auf dem Hügel verstreut, schleppten sich hinunter, verbluteten oder weinten vor Schmerz, und noch immer schlugen Musketenkugeln in ihre gebrochenen Reihen.
Major Browne ging hinter der Linie auf und ab. Dabei konnte von einer
Weitere Kostenlose Bücher