Sharpes Zorn (German Edition)
Pontons durchlöchert oder die Arbeitstrupps vom Ufer vertrieben. Das ließ vermuten, dass sie kaum noch auf Rettung hoffen durften und dass ihnen nichts anderes übrig blieb, als eine der sechs gestrandeten Barken wieder flottzumachen.
»Erinnert Sie das an irgendwas?«, fragte Harper.
»Ich habe gerade versucht, nicht daran zu denken«, antwortete Sharpe.
»Wie hießen die anderen Flüsse noch mal?«
»Duero und Tajo.«
»Und da hatten wir auch keine verdammten Boote, Sir«, bemerkte Harper fröhlich.
»Zu guter Letzt haben wir aber welche gefunden«, sagte Sharpe. Vor zwei Jahren hatte seine Kompanie am falschen Ufer des Duero festgesessen. Dann, ein Jahr später, waren Sharpe und Harper am Tajo gestrandet. Doch beide Male hatten sie den Weg zur Armee zurück gefunden, und das würden sie auch jetzt. Sharpe wünschte nur, dass die verdammten Franzosen endlich verschwinden würden. Aber stattdessen schickten die Froschfresser, die unter ihm in Deckung gegangen waren, einen Kurier nach Fort Josephine. Der Mann kletterte den Hügel hinauf, und die Riflemen zielten in seine Richtung und spannten die Hähne, doch der Kerl schaute immer wieder zurück, duckte sich und schlug Haken. Seine Furcht war förmlich greifbar, und irgendwie war das so komisch, dass keiner der Briten den Abzug drückte.
»Er war zu weit entfernt«, sagte Harper. Dabei hätte Hagman den Kerl einfach so erledigen können, doch der Franzose, der sich so tapfer dem Gewehrfeuer gestellt hatte, hatte das Mitleid der Briten erregt.
»Er wird Hilfe holen«, sagte Sharpe.
Dann geschah lange Zeit gar nichts mehr. Sharpe lag auf dem Rücken und schaute einem Falken am Himmel zu. Manchmal spähte ein Franzose um die Felsen unten herum, sah, dass die Riflemen noch immer da waren, und duckte sich wieder weg. Nach gut einer Stunde winkte ihnen ein Mann zu, trat vorsichtig hinter dem Felsen hervor und tat so, als wolle er die Hose öffnen. »Der Kerl will pissen, Sir«, sagte Harris.
»Lasst ihn«, sagte Sharpe, und die Riflemen richteten die Läufe ihrer Gewehre in den Himmel, während ein Franzose nach dem anderen hervorkam, an den Fluss trat und ihnen dankbar zuwinkte, nachdem er fertig war. Harper winkte zurück.
Sharpe ging von Mann zu Mann und stellte fest, dass sie insgesamt nur drei Biskuits hatten. Er ließ einen von Sergeant Noolans Männern die Biskuits mit Wasser aufweichen und sie dann verteilen, doch das war eine armselige Mahlzeit.
»Ohne Proviant werden wir nicht lange durchhalten, Sharpe«, beschwerte sich Moon. Der Brigadier hatte die Aufteilung der Biskuits mit funkelnden Augen verfolgt, und Sharpe war fest davon überzeugt gewesen, Moon würde einen größeren Anteil für sich beanspruchen. Also hatte Sharpe mit lauter Stimme verkündet, jeder bekäme gleich viel. Moon war inzwischen noch schlechterer Laune als sonst. »Wie wollen Sie uns denn versorgen, wenn ich fragen darf?«, verlangte er zu wissen.
»Wir werden wohl bis morgen früh hungern müssen, Sir.«
»Grundgütiger«, murmelte Moon vor sich hin.
»Sir!«, rief Sergeant Noolan. Sharpe drehte sich in seine Richtung und sah, dass zwei französische Kompanien an den Felsen neben dem Fluss erschienen waren. Sie rückten in offener Formation vor, um keine so leichten Ziele für die Gewehre abzugeben.
»Pat!«, rief Sharpe den Hang hinunter. »Wir ziehen uns zurück! Rauf mit euch!«
Sie marschierten nach Süden, trugen den Brigadier und kämpften sich steile Hänge hinauf, um stets den Fluss in Sichtweite zu haben. Die Franzosen verfolgten sie eine Stunde lang, dann schienen sie zufrieden damit zu sein, die Flüchtlinge von den gestrandeten Pontons vertrieben zu haben.
»Und was jetzt?«, wollte Moon wissen.
»Jetzt warten wir hier, Sir«, antwortete Sharpe. Sie befanden sich im Schutz der Felsen auf einer Hügelkuppe, von wo aus sie in jede Richtung freie Sicht hatten. Der Fluss floss Richtung Westen, während im Osten eine Straße zu erkennen war, die sich durch die Hügel wand.
»Und wie lange sollen wir warten?«, verlangte Moon ärgerlich zu wissen.
»Bis zum Einbruch der Nacht, Sir. Dann werde ich gehen und nachsehen, ob die Pontons noch da sind.«
»Natürlich sind sie dann nicht mehr da«, sagte Moon und implizierte damit, dass Sharpe ein Narr sei, wenn er etwas anderes glaubte, »aber ich nehme an, nachsehen kann ja nicht schaden.«
Doch Sharpe hätte sich die Mühe sparen können, denn in der Abenddämmerung sah er Rauch über dem Fluss aufsteigen, und
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