Sharpes Zorn (German Edition)
in die Stadt gehen«, sagte er.
»Warum, Sir?«, fragte Harris und starrte das Haus durch das Fernrohr an.
»Weil dieses Haus nicht geplündert worden ist. Der Küchengarten blüht und ist ordentlich. Worauf lässt das schließen?«
»Dass sich der Besitzer mit den Franzosen eingelassen hat?«
»Vermutlich.«
Harris dachte darüber nach. »Wenn diese Leute mit den Froschfressern befreundet sind, Sir, dann haben sie vielleicht auch ein Boot in dem Schuppen da am Fluss.«
»Ja, vielleicht«, erwiderte Sharpe. Im Hof neben dem alten Burgturm wurde eine Tür geöffnet, und Sharpe sah jemanden ins Sonnenlicht treten. Er stieß Harris mit dem Ellbogen an, deutete in die entsprechende Richtung, und der Rifleman schaute durch Sharpes Fernrohr.
»Nur eine Frau, die Wäsche aufhängt«, erklärte Harris.
»Dann können wir ja unsere Hemden waschen lassen«, sagte Sharpe. »Komm. Holen wir den Brigadier.«
Sie gingen über die Hügel zurück und fanden Moon in triumphaler Laune, denn Sergeant Noolan und seine Männer waren bis jetzt nicht zurückgekehrt.
»Ich habe es Ihnen ja gesagt, Sharpe«, rief Moon. »Diesen Kerlen kann man nicht vertrauen. Allein schon der Sergeant – der hatte so etwas Verschlagenes an sich.«
»Wie geht es Ihrem Bein, Sir?«
»Es tut verdammt weh. Aber daran kann man wohl nichts ändern, nicht wahr? Da gibt es also eine recht große Stadt, ja?«
»Na ja, eher ein großes Dorf, Sir. Zwei Kirchen.«
»Hoffen wir nur, dass sie da einen Arzt haben, der etwas von seinem Handwerk versteht. Je eher der sich das verdammte Bein ansieht, desto besser. Marschieren wir los, Sharpe. Hier verschwenden wir nur unsere Zeit.«
Doch just in diesem Augenblick tauchte Sergeant Noolan im Norden wieder auf, und dem Brigadier blieb nichts anderes übrig, als darauf zu warten, bis sich die drei Männer des 88th ihnen wieder angeschlossen hatten. Noolan, der noch finsterer dreinblickte als für gewöhnlich, brachte schlechte Neuigkeiten. »Sie haben das Fort in die Luft gejagt, Sir«, berichtete er Sharpe.
»Sprich mit mir, Mann! Mit mir !«, brüllte Moon. » Ich habe den Befehl hier!«
»Tut mir leid, Euer Ehren«, sagte Noolan und nahm den verbeulten Tschako ab. »Unsere Jungs, Sir, sie haben das Fort in die Luft gejagt, Sir, und jetzt sind sie weg, Sir.«
»Fort Joseph meinst du?«, hakte Moon nach.
»Heißt das so, Sir? Ich meine das am anderen Ufer, Sir. Das liegt in Schutt und Asche. Die Geschütze sind über die Brüstung geworfen, und außer ›Smitherings‹ ist nichts mehr auf dem Hügel zu sehen.«
»Außer was?«
Noolan warf Sharpe einen hilflosen Blick zu. »Trümmer, Sir«, versuchte der Sergeant es erneut. »Schrott, Sir.«
»Und du sagst, unsere Männer sind weg? Woher zum Teufel willst du denn wissen, dass sie weg sind?«
»Weil die Froschfresser drüben sind, Sir. Sie haben ein Boot. Damit fahren sie hin und her, Sir, und wir haben sie beobachtet.«
»Grundgütiger«, knurrte Moon angewidert.
»Das haben Sie gut gemacht, Noolan«, sagte Sharpe.
»Danke, Sir.«
»Und wir stecken hier fest«, fuhr der Brigadier verärgert fort, »weil sich unsere Streitkräfte einfach aus dem Staub gemacht und uns im Stich gelassen haben.«
»In dem Fall«, schlug Sharpe vor, »sollten wir so rasch wie möglich in die Stadt und uns etwas zu essen suchen.«
Weil er der Stärkste war, trug Harper das vordere Ende von Moons Trage und der Größte der Connaught Rangers das hintere. Sie brauchten drei Stunden für die kurze Distanz, und es war schon spät am Morgen, als sie schließlich den Hügel über dem großen Haus und der kleinen Stadt erreichten. »Dort gehen wir hin«, verkündete Moon im selben Augenblick, da er das Haus sah.
»Ich glaube, das könnten Afrancesados sein, Sir«, sagte Sharpe.
»Englisch, Mann, Englisch!«
»Ich glaube, es könnten Franzosenfreunde sein, Sir.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil das Haus nicht geplündert worden ist, Sir.«
»Das wissen Sie doch gar nicht«, erwiderte der Brigadier, schien aber selbst nicht überzeugt zu sein. Sharpes Worte ließen ihn nachdenken, doch das Haus zog ihn magisch an. Es versprach Komfort und die Gesellschaft Gleichgestellter. »Aber wie auch immer, es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, erklärte er. »Und zwar, indem wir dorthin gehen. Auf geht’s.«
»Ich denke, wir sollten lieber in die Stadt gehen«, beharrte Sharpe auf seiner Meinung.
»Und ich denke, Sie sollten jetzt lieber den Mund halten,
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