Sharpes Zorn (German Edition)
wünschte Sharpe, er hätte seinen Mantel mitgenommen. Fünf Meilen nördlich und zu seiner Linken funkelten die Lichter von Cadiz auf den weißen Mauern, sodass sich die Stadt als bleicher Streifen vor dem Meer und dem Himmel abhob, während im Westen, vielleicht eine Meile entfernt, gelbes Laternenlicht aus den Heckfenstern der vor Anker liegenden Schiffe fiel. Doch hier, mitten in der Bucht, da gab es kein Licht, sondern nur das Platschen der schwarz gestrichenen Riemen. »Es wäre schneller gewesen«, durchbrach Sir Thomas die lange Stille, »von der Stadt aus zu fahren, aber wenn wir die Leichter an den Kais der Stadt beladen hätten, dann hätten die Franzosen gewusst, dass wir kommen. Deshalb habe ich Ihnen gestern Abend auch nichts von diesem kleinen Ausflug erzählt, Sharpe. Hätte ich unseren Plan auch nur mit einem Wort erwähnt, dann hätten die Franzosen zum Frühstück gewusst, was wir vorhaben.«
»Sie glauben, dass sie Spione in der Botschaft haben, Sir?«
»Sie haben überall Spione, Sharpe. Die ganze Stadt ist voll von ihnen. Sie bringen ihre Nachrichten auf Fischerbooten raus. Die Bastarde wissen bereits, dass wir eine Armee schicken, um ihre Belagerungslinien anzugreifen. Maréchal Victor kennt meine Pläne vermutlich besser als ich selbst.«
»Sind die Spione Spanier?«
»Ich nehme es an.«
»Warum dienen sie den Franzosen, Sir?«
Die Frage ließ Sir Thomas leise lachen. »Nun ja, einige von ihnen denken noch immer so, wie ich einmal gedacht habe, Sharpe. Sie glauben, dass Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit etwas Schönes sind. Und das sind sie natürlich auch, aber Gott weiß mit Sicherheit nicht in den Händen der Franzosen. Und einige von ihnen hassen die Briten schlicht.«
»Warum?«
»Dafür gibt es viele Gründe, Sharpe. Grundgütiger, es ist erst vierzehn Jahre her, seit wir Cadiz bombardiert haben! Und vor sechs Jahren haben wir ihre Flotte bei Trafalgar versenkt! Und die meisten Händler hier glauben, wir wollten ihren Südamerikahandel zerstören und ihn selbst übernehmen, und da haben sie sogar recht. Natürlich leugnen wir das, aber wir versuchen es trotzdem. Und sie glauben, wir würden die Revolution in ihren amerikanischen Kolonien schüren, und auch da liegen sie nicht ganz falsch. Wir haben die Revolutionäre ermutigt, auch wenn wir jetzt so tun, als wäre das nicht der Fall. Und dann ist da noch Gibraltar. Sie hassen uns dafür, dass wir in Gibraltar sind.«
»Ich dachte immer, sie hätten uns das gegeben, Sir.«
»Aye, das haben sie auch, und zwar 1713 im Vertrag von Utrecht. Aber es war verdammt dumm von ihnen, dieses Blatt Papier zu unterzeichnen, und das wissen sie nur zu gut. Deshalb hassen uns genug von ihnen, und jetzt verbreiten die Franzosen auch noch das Gerücht, dass wir auch Cadiz annektieren wollen! Gott weiß, dass das nicht stimmt, aber die Spanier sind bereit, es zu glauben. Und es gibt Männer in Spanien, die fest davon überzeugt sind, dass eine Allianz mit Frankreich besser für Spanien wäre als die Freundschaft Großbritanniens, und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob sie da wirklich falsch liegen. Aber wie auch immer, jetzt sind wir hier, Sharpe, und wir sind miteinander verbündet, ob wir das nun wollen oder nicht. Und es gibt immer noch genug Spanier, die die Franzosen noch mehr hassen als uns. Also besteht noch Hoffnung.«
»Es besteht immer Hoffnung«, warf Lord William Russell fröhlich ein.
»Aye, William, vielleicht«, erwiderte Sir Thomas, »aber wenn Spanien nur noch aus Cadiz besteht und Lord Wellington lediglich einen Flecken Land um Lissabon herum hält, dann fällt es schon schwer, sich vorzustellen, dass wir die Franzosen wieder in ihre Schweineställe treiben werden. Wenn Napoleon auch nur einen Funken Verstand hätte, dann würde er den Spaniern ihren König zurückgeben und Frieden schließen. Dann wären wir wirklich am Ende.«
»Wenigstens sind die Portugiesen auf unserer Seite«, erklärte Sharpe.
»Stimmt! Und es sind verdammt feine Kerle. Ich habe zweitausend von ihnen hier.«
»Wenn sie denn kämpfen werden«, bemerkte Lord William zweideutig.
»Oh, sie werden kämpfen«, sagte Sharpe. »Ich war bei Bussaco. Da haben sie gekämpft.«
»Und wie war das da?«, fragte Sir Thomas, und während Sharpe die Geschichte erzählte, näherte sich der Leichter dem Schilf am Ufer der Halbinsel von Trocadero. Das Fort von San Luis war nicht mehr weit entfernt. Es stand zwei-, dreihundert Schritt weit im Landesinneren,
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