Sharras Exil - 17
…«
»Aber was diese Gabe auch sein mag, du hast sie in latenter Form«, meinte Callina versonnen.
»Weißt du, was die Hastur-Gabe ist?«, fragte Regis geradeheraus.
Sie biss sich auf die Lippe. »Ashara muss es wissen …«, und Regis fragte sich, was das damit zu tun haben mochte. Als spreche Callina zu sich selbst, fuhr sie fort: »Die ArdaisGabe - die Katalysator-Telepathie, die Fähigkeit, Laran in anderen zu erwecken. Die Ridenows geben die besten Überwacher ab, weil sie Empathen sind … Die Gaben sind durch die Heiraten zwischen den Domänen und mit NichtTelepathen heute so durcheinander gebracht, dass man selten eine in alter Reinheit und Kraft findet. Und um das Wissen von den Gaben rankt sich so viel Aberglaube … Nach der Überlieferung soll die ursprüngliche Hastur-Gabe die gewesen sein, die Bewahrerinnen durch ihr Training bekommen, die Fähigkeit, ohne die komplizierten Sicherungsvorkehrungen, die eine Bewahrerin beachten muss, mit anderen Matrices zu arbeiten. Das Wort Bewahrerin …« - sie benutzte den CastaAusdruck Teneresteis »… bedeutete anfänglich eine, die hält, eine die bewacht … Sieht man einmal von der Aufgabe der Bewahrerin ab, im Zentrum der Energon-Ringe zu arbeiten, ist sie, ganz einfach ausgedrückt, diejenige, die die Schwingungen der anderen Matrices in der Gruppe auf einer Wellenlänge hält. Es gehört eine besondere Geschicklichkeit dazu, nicht nur mit der eigenen, sondern auch mit fremden Matrices zu arbeiten. Wie ich schon sagte, einige erstklassige Techniker können es auch. Ich wüsste gern …« Sie zögerte und sagte dann: »Hasturs sind im Allgemeinen langlebig und gelangen spät zur Reife. Das normale Laran ist spät in dir erwacht - du warst fünfzehn, nicht wahr? Und vielleicht regte sich da zum ersten Mal das Laran, das du schließlich besitzen wirst. Wie alt bist du jetzt? Einundzwanzig? Dann wurde deine Matrix ungefähr zur Zeit der Sharra-Unruhen erweckt …«
»Ich war damals in den Bergen, und meine Matrix wurde wie alle anderen, die sich in der Nähe Sharras befanden, überschattet«, erklärte Regis.
Und er hatte außerdem eine furchtbare persönliche Krisis durchgemacht: das Erwachen seines Erbteils, seine Entscheidung, sich zu akzeptieren, wie er war, und nicht, wie sein Großvater und die Comyn ihn haben wollten, und dazu die Frage, ob er die ungewünschte Bürde der Hasturs auf sich nehmen oder alles von sich werfen, ein Leben ohne Laran, ohne Verantwortung führen solle. Aber jetzt war diese neue Dimension seines Larans aufgetaucht, und er konnte nicht einmal ahnen, welche Lasten es ihm auferlegen würde.
»Das müssen wir genau festhalten«, sagte Callina. »Als du während der Sharra-Rebellion in den Bergen warst, wurde deine Matrix überschattet. Du konntest sie nicht mehr benutzen, und der Grund war der gleiche, den ich damals in Lews Matrix sah: das Feuerbild. Aber später, als Sharra von unserer Welt entfernt worden war …«
»Da war sie rein«, antwortete Regis, »ohne eine Spur von Sharra, und ich lernte sie zu benutzen - meine Matrix, meine ich. Erst als Lew die Sharra-Matrix zurück nach Darkover brachte …«
Callina nickte. »Und trotzdem hast du deine Matrix gereinigt. Es ist sehr leicht festzustellen, ob du natürliche Begabung für die Aufgaben eines Bewahrers hast.« Sie nahm ihren eigenen Stein aus dem Lederbeutelchen an ihrem Hals und hielt ihn nackt auf die Handfläche. »Kannst du die Schwingungen anpassen und meine Matrix berühren, ohne mich zu verletzen?«
Regis schluckte und sah weg. Ihn überwältigte die Erinnerung an jenen Tag auf Burg Aldaran: Kadarin riss Lew die Matrix ab, und Lew wälzte sich in Zuckungen auf dem Boden, ein schreiendes, willenloses Wrack … Er murmelte: »Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Und ich habe Angst, es zu versuchen. Ich könnte … ich könnte dich töten.«
Sie schüttelte den Kopf »Nein, nicht hier, nicht in der Sicherheit des Turms. Versuch es.«
Ihre Stimme klang leise und gleichmütig, aber es war ein Befehl. Schwitzend versuchte Regis, sich in den blauen Kristall hineinzudenken, der auf Callinas Handfläche lag. Er rief sich ins Gedächtnis zurück, wie er in Javannes Gedanken eingedrungen war, wie er hinausgelangt war und ihren Geist von der Matrix gelöst hatte, als seien es die verwobenen Fäden eines Wandteppichs … Eine starke, ihm unangenehme Kraft stemmte sich ihm entgegen. Zaghaft ging er dagegen an. War das Callina? Er blickte auf, zögerte, konnte diese
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