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Sharras Exil - 17

Sharras Exil - 17

Titel: Sharras Exil - 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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der Suche nach Linnell oder Callina einen Weg durch die Menschenmenge bahnte, sah ich den Fremden in dem Harlekin-Kostüm wieder. Wen kannte ich, der so groß und so drahtig war? Warum hatte ich das merkwürdige Gefühl, ich müsse ihn ganz genau kennen? Er war zu groß, um Lerrys zu sein, und doch war die Feindseligkeit, die er auf mich abstrahlte, ähnlich der Einstellung Lerrys’, als er mich warnte, ich solle Dio in Ruhe lassen.
(Und Dio war an meiner Seite. Würde Lerrys seine Drohung hier und jetzt wahrmachen?)
Wieder steckte ich in der Menschenmenge. Ich hatte mit Regis gesprochen und vergessen, ihm über Derik Bescheid zu sagen - ich hatte zu viel im Kopf, mir war, als hätte ich mich die ganze Nacht ziellos hin und her durch diese blöden, lärmenden Massen bewegt. Meine Abschirmung begann sich zu lockern; viel länger ertrug ich dies mentale Durcheinandergebrülle nicht mehr. Ein paar Kadetten drängten sich um das lange Büffet. Begeistert über die Abwechslung vom Kantinenessen hieben sie gierig in die aufgehäuften Delikatessen ein. Unter ihnen entdeckte ich beide Söhne Javannes, Rafael und den jüngeren Gabriel. Vermutlich würde sich einer von ihnen immer noch als mein Erbe betrachten …
Ich habe keinen Sohn, ich werde nie einen Sohn haben, aber ich habe eine Tochter, und ich werde für ihr Recht kämpfen, nach mir Armida zu besitzen … und dann wurde mir übel bei dem Gedanken, wie sinnlos das alles war. Würde es noch irgendetwas zu vererben geben, wenn Beltran seinen Platz im Comyn-Rat einnahm und uns alle vernichtete? Wäre es nicht besser, mit Marja - und mit Dio, wenn sie mitkommen wollte zurück nach Terra oder Vainwal oder auf eine der Welten am äußersten Rand des Imperiums zu reisen, wo wir uns ein neues, ein eigenes Leben aufbauen konnten?
Ich bin kein Kämpfer. Ich kann kämpfen, wenn ich muss, und mein Vater hat von dem Tag an, als ich groß genug war, um meine Hände um das Heft eines Schwerts zu klammern, sein Bestes getan, um mich auszubilden. Ich hatte es gelernt, weil mir keine andere Wahl blieb. Aber ich hatte nie Freude daran gehabt, trotz seiner Bemühungen, mich zum Meister im Schwertspiel und im unbewaffneten Kampf zu machen. Verdammt soll er sein, noch seine letzten Worte handelten vom Kampf … ich hörte sie wieder, sie erklangen in mir, als würden sie jetzt gesprochen, nicht in der Erinnerung: Kehre nach Darkover zurück, kämpfe für deines Bruders Rechte und für deine eigenen …
… und damit hatte er mich in diese brodelnde Hölle geworfen …
»Was machst du so ein finsteres Gesicht, Lew?«, fragte Linnell mit niedlichem Schmollen. »Das soll doch ein Fest sein!« Ich versuchte, mein Gesicht in etwas wie ein freundliches Lächeln zu legen. Manchmal möchte ich lieber in Zandrus neunter und kältester Hölle sein als in einer Menschenmenge, wo ich freundlich sein muss, und heute war mir wieder so zu Mute. Aber ich wollte Linnell die Freude nicht verderben. »Entschuldige. Meine hässliche Visage ist wahrlich schon schlimm genug, ohne dass ich nachhelfe.«
»Für mich bist du nicht hässlich, Pflegebruder.« Sie benutzte die intime Form, die es zu einem Kosewort machte. »Wenn ich wünsche, dein Gesicht sei ohne Narben, dann nur aus dem Grund, weil dir dann so viele Leiden erspart geblieben wären. Die Blumen, die du mir geschickt hast, sind wunderschön«, setzte sie hinzu. »Sieh mal, ich trage ein paar davon an meinem Kleid.«
Ich lächelte ein bisschen verlegen. »Du musst Andres danken; er hat sie ausgesucht. Aber sie passen gut zu dir.« Ich dachte, Linnell selbst sei wie eine Blume. Rosig und strahlend sah sie mich an. »Ich habe dich mit Derik tanzen gesehen; hoffentlich hast du diesem Tunichtgut Merryl gesagt, er soll ihn wegbringen und ausnüchtern!«
»Oh, aber er ist nicht betrunken, Lew«, versicherte sie mir ernsthaft und legte eine Hand auf mein Handgelenk. »Es ist nur sein Pech, dass er gerade in der Festnacht einen dieser Anfälle bekommt … Das passiert ihm manchmal, und als er noch jünger war, wurde er ins Bett gesteckt und außer Sicht gehalten - er trinkt überhaupt nicht, weil es seinen Zustand so sehr verschlimmert, er nimmt nicht einmal einen Schluck Wein zum Essen. Ich war böse auf ihn, weil er ein einziges Glas getrunken hat - irgendein Fruchtgetränk, das mit starkem firi versetzt war, und er wollte Merryl nicht beleidigen, indem er es zurückwies …«
»Das war ein gemeiner Streich; ich habe selbst davon getrunken«, sagte ich.

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