Sharras Exil
werfe sie ihm vor, auf Bäume geklettert zu sein und seine beste Feiertagshose zerrissen zu haben.
»Nicht gestritten«, antwortete er leichthin. »Wir haben nur unsere Ansichten über die politische Situation ausgetauscht.«
Gabriel Lanart verzog das Gesicht. »Das ist schlimm genug.«
»Und ich erinnerte meinen Enkel und Erben daran«, fiel Danvan Hastur scharf ein, »dass er zu alt ist, um unverheiratet zu sein, und schlug vor, wir könnten ihm sogar Linnell Aillard-Lindir zur Frau geben, wenn ihn das genügend motivieren würde. In Evandas Namen, Regis, auf was wartest du noch?«
Regis versuchte, den aufsteigenden Zorn zu beherrschen. »Ich warte darauf, Sir, eine Frau kennen zu lernen, mit der mein ganzes restliches Leben zu verbringen ich mir vorstellen kann. Ich weigere mich nicht zu heiraten …«
»Das will ich auch hoffen!«, schnaubte sein Großvater. »Es ist … unwürdig für einen Mann deines Alters, immer noch unverheiratet zu sein. Ich sage kein Wort gegen den Syrtis-Jungen: Er ist ein guter Mann, ein passender Gefährte für dich. Aber in den Zeiten, die kommen werden, können wir eins nicht brauchen, und das ist, dass irgendwer den Erben von Hastur verächtlich einen Liebhaber von Männern nennt!«
Regis fragte ruhig: »Und wenn ich es tatsächlich bin, Sir?«
Sein Großvater hatte heute Abend schon zu viele unverdauliche Tatsachen zurückgewiesen. Jetzt sollte er sich an dieser die Zähne ausbeißen. Javanne sah erschrocken und bestürzt aus. Sicher, so etwas sagte man nicht vor seiner Schwester, aber schließlich, so verteidigte Regis sich ärgerlich selbst, sein Großvater kannte die Situation sehr genau.
Danvan Hastur sagte: »Unsinn! Du bist jung, das ist alles. Aber wenn du alt genug bist, um so entschiedene Standpunkte zu vertreten, und wenn ich diese ernst nehmen soll, dann musst du mich auch überzeugen können, dass du reif genug bist, um des Anhörens wert zu sein. Ich will dich verheiratet sehen, Regis, bevor dieses Jahr zu Ende geht.«
Da hast du dich geschnitten, Großvater , dachte Regis, aber er sprach es nicht aus. Javanne runzelte die Stirn, und Regis erkannte, dass sie, die eine begabtere Telepathin als sein Großvater war, seinen Gedanken wahrgenommen hatte. Sie bemerkte: »Sogar Dyan Ardais hat seine Domäne mit einem Erben versorgt, Regis.«
»Das habe ich auch getan«, entgegnete Regis. »Es ist dein eigener Sohn, Javanne. Würde es dich nicht freuen, wenn er nach mir Hastur-Lord würde? Und ich habe andere Söhne von anderen Frauen, auch wenn sie nedestro sind. Ich bin durchaus im Stande – und willens –, Söhne für die Domäne zu zeugen. Aber ich will keine Heirat, die nichts als ein Possenspiel ist, um den Rat zufrieden zu stellen. Wenn ich eine Frau kennen lerne, die ich zu heiraten wünsche, möchte ich frei sein, sie zu heiraten.« Während er sprach, war ihm, als gehe er Seite an Seite mit jemandem. In ihm stieg ein überwältigendes Gefühl auf, wie er es noch nie empfunden hatte, abgesehen von dem ersten, plötzlichen Aufquellen von Liebe und Dankbarkeit, als Danilo sein Laran erweckt und er sich erlaubt hatte, Laran und Freund zu akzeptieren. Aber wenn er auch wusste, dass eine Frau an seiner Seite war, konnte er doch ihr Gesicht nicht sehen.
»Du bist ein romantischer Narr«, stellte Javanne fest. »Um so etwas geht es bei einer Heirat nicht.« Doch sie lächelte, und Regis bemerkte den zärtlichen Blick, den sie Gabriel zuwarf. Javanne hatte Glück; sie war in ihrer Ehe sehr zufrieden.
»Wenn ich eine Frau finde, die mir ebenso passt wie Gabriel dir, Schwester, dann will ich sie heiraten.« Regis versuchte, einen leichten Ton anzuschlagen. »Das verspreche ich dir. Allerdings habe ich eine solche Frau bisher noch nicht gefunden, und ich bin nicht bereit, nur zu heiraten, um dem Rat oder dir oder Großvater einen Gefallen zu tun.«
»Ich höre es gar nicht gern sagen«, meinte Javanne stirnrunzelnd, »der Erbe von Hastur sei ein Liebhaber von Männern. Und wenn du nicht bald heiratest, Regis, wird es gesagt werden und einen Skandal geben.«
Regis verlor die Fassung. »Dann soll man es doch sagen! Ich will mein Leben nicht in Angst vor den Zungen der Ratsmitglieder verbringen! Es gibt vieles, was mich mehr beunruhigt als die Spekulationen des Rats über mein Liebesleben – das ihn schließlich überhaupt nichts angeht! Ich dachte, wir seien zusammengekommen, um uns über Derik und die anderen Probleme, die im Rat aufgetaucht sind, zu besprechen.
Weitere Kostenlose Bücher