Sharras Exil
Und um zu essen – und bisher habe ich noch keine Spur von Essen und Trinken gesehen! Sollen wir herumstehen und wegen meiner Privatangelegenheiten aufeinander loshacken, während die Diener versuchen, das Essen warm zu halten, und sich fürchten, uns zu unterbrechen?«
Er stand kurz davor, aus dem Raum zu stürzen, und sein Großvater merkte es. Danvan Hastur sagte: »Willst du den Dienern Bescheid geben, dass sie den Tisch decken können, Javanne?« Als sie ging, um das zu tun, winkte er einem Mann, Gabriel den Mantel abzunehmen. »Du hättest deinen Sohn mitbringen sollen, Gabriel.«
Gabriel lächelte. »Er hat heute Nacht Dienst, Sir.«
Hastur nickte. »Wie schickt er sich denn bei den Kadetten? Und Rafael? Er steht im ersten Jahr, nicht wahr?«
Lächelnd antwortete Gabriel: »Ich gebe mir alle Mühe, Rafael nicht zu bemerken, Verwandter. Wahrscheinlich hat er die gleichen Schwierigkeiten wie jeder junge Bursche von Rang bei den Kadetten – wie Gabe im letzten Jahr oder Regis oder Lew Alton … Ich weiß noch, dass ich Lew ein paar besondere Tricks im Ringen beibringen musste. Sie hatten es wirklich auf ihn abgesehen, sie machten ihm das Leben zur Hölle. Wahrscheinlich ist es Kennard selbst in seinem ersten Kadettenjahr ebenso ergangen. Mir nicht, aber ich stand auch nicht in der direkten Comyn-Erbfolge.« Er seufzte. »Zu traurig mit Kennard. Er wird uns fehlen. Ich werde die Garde weiter kommandieren, bis Lew im Stande ist, eine Entscheidung zu fällen – er ist sehr krank, und diese Sharra-Geschichte lastet schwer auf ihm. Aber sobald er sich erholt …«
»Du glaubst doch nicht etwa, dass Lew fähig ist, die Alton- Domäne zu regieren?«, fragte Hastur erschrocken. »Du hast es ebenso gesehen wie ich! Der Junge ist ein Wrack!«
»Ein Junge ist er kaum«, warf Regis ein. »Lew ist sechs Jahre älter als ich, also Mitte zwanzig. Es ist nichts als recht und billig zu warten, bis er über den Tod seines Vaters hinweggekommen ist und sich von der Reise erholt hat. Kennard erzählte mir einmal, dass die meisten langen Reisen unter schweren Betäubungsmitteln gemacht werden müssen. Aber wenn er das überwunden hat …«
Hastur öffnete den Mund zum Sprechen, doch bevor er etwas sagen konnte, meldete Javanne: »Das Essen steht auf dem Tisch. Sollen wir hineingehen?« Sie nahm den Arm ihres Mannes. Regis folgte mit seinem Großvater. Ein kleiner Tisch im Nebenzimmer war mit einem eleganten Tuch und dem feinsten Geschirr gedeckt worden. Javanne gab auf das Nicken ihres Großvaters hin das Zeichen, dass serviert werden könne, und goss Wein in die Gläser. Aber Gabriel sagte, während er sich die Serviette über die Knie breitete: »Meiner Meinung nach ist Lew gesund genug.«
»Er hat nur eine Hand. Kann er die Garde als Krüppel befehligen?«
»Auch dafür gibt es eine Reihe von Präzedenzfällen«, antwortete Gabriel. »Vor zwei oder drei Generationen führte Dom Esteban – er war mein und auch Lews Urgroßvater – zehn Jahre lang den Befehl über die Garde vom Rollstuhl aus, nachdem er den Gebrauch seiner Beine im Krieg mit den Katzenwesen verloren hatte. Und dann war die Lady Bruna, die das Schwert ergriff und damals, als der Erbe noch ein Säugling war, eine bemerkenswerte Kommandantin abgab …« Er zuckte die Schultern. »Lew kann sich mit einer Hand ankleiden und für sich sorgen – das habe ich selbst gesehen. Und sonst – nun, er ist einmal ein verdammt guter Offizier gewesen. Falls er wünscht, dass ich den Befehl über die Garde behalte – nun, er ist das Oberhaupt meiner Domäne, und ich werde tun, was er sagt. Die Jungen wachsen auch heran – Marius nicht zu vergessen. Er hat keine militärische Ausbildung, aber eine sehr gute Erziehung.«
»Eine terranische Erziehung«, stellte Hastur trocken fest.
Regis meinte: »Wissen ist Wissen, Großvater.« Ihm fiel ein, was er im Rat gedacht hatte: Es sei vielleicht sinnvoller, Mikhail bei den Terranern ausbilden zu lassen, als ihn zur Erlernung militärischer Disziplin und zu Schwertübungen unter die Kadetten zu stecken. »Marius ist intelligent …«
»Und hat ein paar unerfreuliche terranische Freunde«, unterbrach Javanne verächtlich. »Hätte er sich nicht mit den Terranern eingelassen, dann hätte er heute im Rat nicht diese ganze Sharra-Angelegenheit aufs Tapet gebracht!«
»Und dann wüssten wir nicht, was vorgeht«, stellte Regis fest. »Wenn sich ein Wolf auf der Weide herumtreibt, kümmert es uns dann, ob der Hirte um seinen
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