Shayne - der Verführer (German Edition)
fragte er, als hätte Bliss nicht oben auf der Party die Unterhaltung so abrupt beendet.
Sie betrachtete ihn vorsichtig. Trotz seiner lässigen Art fühlte sie unnachgiebige Stärke in ihm. Vermutlich war dieser Mann für Frauen extrem gefährlich.
“Wie viel sollte wofür nötig sein?”
“Wie viel Geld müsste ich weggeben, damit Sie mit mir Nachtisch essen?”
“Ich sagte schon …”
“Ich weiß, was Sie gesagt haben.” Er passte sich ihrem Tempo an. “Sie lassen sich mit reichen Männern auf nichts ein. Ich weiß nicht, wieso Sie so denken, aber finden Sie diese Einstellung nicht etwas streng? Vor allem hier in Paris?”
Ihre hohen Absätze klapperten auf dem Pflaster des Bürgersteigs. Das Geräusch erinnerte Bliss daran, dass sie nachts allein mit einem Unbekannten in einer fremden Stadt unterwegs war. “Genau das meine ich. In Paris lassen sich die Menschen leicht auf Affären ein.”
“Dann sind Sie auch gegen Affären mit reichen Männern? Ich dachte, Sie wollten nur feste Bindungen vermeiden.”
Bliss blieb unter einer Straßenlaterne stehen. “Sind Sie immer so starrsinnig?”
“Ja, wenn ich etwas unbedingt will.”
Ehrlich war er, das musste sie ihm zugestehen. “Und Sie wollen mich?”
“Meine Liebe, ein Mann müsste schon tot sein, um Sie nicht erobern zu wollen. Im Moment wäre ich allerdings mit einem Spaziergang an der Seine zufrieden. Wir könnten etwas Süßes essen, uns freundlich unterhalten und einander dabei besser kennen lernen.”
“Und wenn ich Sie nicht besser kennen lernen will?”
“Natürlich wollen Sie”, erwiderte er lachend. “Ich mache Ihnen ein Angebot.”
“Als das letzte Mal jemand diese Worte zu mir sagte, kaufte ich eine gefälschte Schäferin aus Meißen.”
“Ich verkaufe keine Fälschungen”, behauptete er.
In Wahrheit war alles, was er erzählte, falsch. Sein Leben bildete seit Jahren ein Netz aus Lügen. Sogar ihm fiel es manchmal schwer, sich daran zu erinnern, wer er wirklich war, und das gefiel ihm nicht. Allerdings konnte er Bliss nicht die Wahrheit sagen. Schließlich war sie selbst eine perfekte Lügnerin.
“Ich bin heute Nacht in einer seltsamen Stimmung”, behauptete er, und wenigstens das stimmte. “Ich möchte nicht allein sein.”
“Wie ermutigend”, erwiderte sie. “Die Bemerkung über den Champagner hat mir als Einleitung für eine Unterhaltung besser gefallen. Wenn Sie Frauen gegenüber öfters in dunklen Straßen über Ihre seltsamen Stimmungen sprechen, ist es kein Wunder, dass Sie allein sind.”
“Da haben Sie Recht”, räumte er lachend ein. “Also, wollen wir die dunkle Straße verlassen und belebtere Gegenden aufsuchen?”
Sie sollte ablehnen, aber dieser Mann erinnerte sie an ihren Mieter Michael O’Malley. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was der frühere Mitarbeiter der Mordkommission und jetzige Privatdetektiv über ihr unvorsichtiges Benehmen gesagt hätte. Zweifellos wäre er an die Decke gegangen. “Was schwebt Ihnen denn vor?” fragte sie.
“Wenn ich mich recht erinnere, habe ich von einer Flussfahrt gesprochen.”
Das klang unwiderstehlich. “Und Sie haben versprochen, die Hände in den Taschen zu lassen.”
“Selbstverständlich”, beteuerte er und schob sie in die Taschen seiner grauen Hose.
Zwanzig Minuten saßen sie auf dem oberen Deck eines Schiffes, das langsam auf der Seine dahinglitt. Der Eiffelturm glitzerte wie ein riesiger Weihnachtsbaum im Hintergrund, und Bliss merkte, dass sie einen Fehler begangen hatte. Das war mehr als eine Touristenattraktion. Auch wenn sich die Leute an Bord in allen möglichen Sprachen unterhielten, war es doch das schönste und romantischste Erlebnis, das sie je gehabt hatte.
Die Scheinwerfer des Schiffes ließen das Wasser silbern leuchten und strahlten die gotische Pracht von Notre Dame an. Bliss musste daran denken, wie sie das erste Mal in Maine das Nordlicht gesehen hatte. Das war genauso magisch und unvergesslich gewesen.
“Sie sind sehr still.” Shayne beugte sich über den kleinen Tisch und spielte mit einer Locke, die der Wind ihr ins Gesicht geweht hatte.
Die Nachtluft war kühl. Seine Finger strichen warm über ihre Haut. Und Bliss wusste, dass sie verloren war.
“Ich habe gerade gedacht, dass diese Fahrt gar kein schlechter Abschluss für einen Aufenthalt in Paris ist”, erwiderte sie leise.
Er lächelte so verwegen und zuversichtlich, dass sie ihn dafür hätte hassen sollen. Leider versprühte er gleichzeitig so viel
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