Sheriff Tod
in den Nächten, in denen die Taten geschehen sind, ein Patrol Car der Highway Police auf der Straße gesehen haben, mit ausgeschalteten Warnlichtern. Das ist dreimal vorgekommen. War es nun ein Zufall oder nicht, das ist die Frage.«
»Interessant«, murmelte ich.
»Denken Sie schon weiter?«
Ich nickte Doreen zu. »Ja, das denke ich und komme zu dem vorläufigen Ergebnis, daß dieser Verbrecher möglicherweise ein Kollege im weit entferntesten Sinne von uns ist. Oder sind Sie da anderer Meinung, Doreen?«
Sie hatte etwas von ihrer Fassung verloren. »Ich darf daran nicht denken, John.«
»Sie haben es aber ins Kalkül gezogen.«
»Stimmt.«
»Und Abe Douglas auch.«
»Jawohl.«
»Sind die in Frage kommenden Kollegen alle überprüft worden?« hakte ich nach.
»Natürlich. Damit hat sich das FBI beschäftigt. Es gab keine Unregelmäßigkeiten. Zudem fahren die Kollegen nie allein Streife. Sie sind immer zu zweit. Zu ihrer eigenen Sicherheit. Da haben wir, das muß ich zugeben, leider nichts erreichen können.«
»Das ist schlecht.«
»Ich weiß.«
»Sie hören sich an, Doreen, als hätten Sie noch etwas in der Hinterhand?«
»Wirklich?«
»Ja. Denn manchmal habe ich einen Blick für Menschen.«
»Es gibt hier in Kansas eine alte Legende«, sagte sie.
»Oh, die interessieren mich immer, denn ich habe ein Faible für Legenden und Sagen.«
Doreen lächelte etwas spöttisch. »Wenn mir das ein anderer gesagt hätte, ich hätte ihm glatt erklärt, er sollte es vergessen, aber bei Ihnen ist das etwas anderes. Ich kenne die Legende auch nur, weil ich aus dieser Gegend stamme. Es geht da um einen Sheriff, der eines Tages urplötzlich von der Bildfläche verschwand. Auf einmal war er nicht mehr da. Von einem Augenblick zum anderen. Er war abgetaucht, und man hat ihn ebensowenig gefunden wie die zwölf vermißten Personen. Bis heute nicht.«
»Wann ist das denn passiert?«
»Es liegt knapp fünfzig Jahre zurück.«
»Oh.«
»Eine Legende, John…« Sie hatte es in einem Tonfall gesagt, der mich einfach mißtrauisch machen mußte.
»Legende, ja. Darf ich noch weiter bohren?«
»Wenn Sie wollen.«
»Wo lebte dieser Sheriff?«
»Westlich von hier. In einem kleinen Kaff mit dem Namen Lucas. Nicht weit vom Wilson Lake entfernt.«
»Und dieses Kaff gibt es noch?«
»Natürlich.«
»Können Sie mir denn sagen, wo die Menschen alle verschwunden sind? Führt an Lucas zufällig ein Highway vorbei?«
»Das kann ich nicht leugnen.« Sie faltete Papiere zusammen, ohne mich dabei anzuschauen. »Um auf die verschwundenen Menschen zurückzukommen, sehr weit von Lucas ist das nicht passiert. Ich würde ein Limit von dreißig Meilen setzen.«
»Interessant.«
»In der Tat.« Sie packte die Unterlagen in eine Tasche aus weichem Leder.
»Und wie soll es weitergehen?«
Doreen schaute wieder hoch. »Ich wäre dafür, daß wir uns diese Umgebung einmal anschauen.«
Ich lächelte breit. »Wegen des Sheriffs, nicht wahr?«
Sie hob nur die Schultern. Dann stand sie auf, zerrte die Gardine von der Terrassentür weg und sagte: »Es ist verrückt, ich weiß es. Meine Kollegen würden mich auch für verrückt halten, aber ich habe das Gefühl, daß Sie genau der richtige Mann für Legenden sind, und das hat mir auch Abe Douglas bestätigt.«
»Ja, ich liebe sie.«
Die FBI-Frau drehte sich um. Ihr Gesicht zeigte einen ernsten Ausdruck.
»Auch wenn sich diese im nachhinein als Wahrheit herausstellt?«
»In dem Fall ganz besonders.«
»Dann wollen wir los…«
***
Marcus Richter erwachte aus seiner tiefen Bewußtlosigkeit und wußte nicht, ob es Tag oder Nacht war. Es brauchte ihn auch nicht zu interessieren, denn andere Dinge, die ihn persönlich betrafen, waren weitaus wichtiger.
Die Schmerzen!
Bisher hatte er von ihnen nur gehört oder gelesen. Selbst hatte er keine erlitten, denn er war nie in diese Lage geraten. Die Schmerzen waren vergleichbar mit einem sehr starken Brennen, das sich auf seinem gesamten Gesicht verteilte, als wäre dort Säure auf die Haut geschmiert worden.
Am Körper spürte er sie ebenfalls. Allerdings schwächer, da mußte er sich schon unglücklich bewegen.
Wichtig war das Gesicht. Und noch wichtiger war, daß er am Leben war.
Und daß sein Gehirn noch funktionierte. Er konnte denken, er konnte gewisse Dinge rekapitulieren; es gelang ihm, sie in die Reihenfolge zu bekommen, und er erinnerte sich nicht nur an sich selbst, sondern auch an Tina.
Bei diesem Namen fuhr die heiße Flamme
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