Sheriff Tod
durch seinen Körper. Himmel, was war mit ihr geschehen? Lebte sie überhaupt noch, oder hatte sie dieser Unhold mit dem Stern auf der Brust getötet?
Das letzte Bild sah er noch genau vor sich. Tina hatte sich in der Gewalt des Unheimlichen befunden. Er hatte sie umklammert gehalten wie ein Raubtier seine Beute. Es hatte für ihn so ausgesehen, als hätte er mit ihr weglaufen wollen, um sie an einem einsamen Platz auf den Boden zu werfen und zu vergewaltigen.
Der Deutsche zitterte. Diesmal nicht um sich, sondern eben um seine Tina, und er fühlte sich selbst viel zu schwach, um ihr helfen zu können.
Gerade das machte ihn so fertig. Er kam sich nutzlos vor, er war zu einem Verlierer geworden, und er spürte, wie Tränen in seine Augen stiegen.
Marcus hatte es kaum glauben können, es zu schaffen, doch es gelang ihm, sich zur Ruhe zu zwingen. Er schaffte es, er drängte die schrecklichen Gedanken zurück und konzentrierte sich wieder auf sich selbst, um sich später um die Umgebung zu kümmern, die er nicht sah, weil sie im Stockfinstern lag. Er spürte nur unter sich die Härte eines schmierigen feuchten Gesteins und konnte sich vorstellen, in irgendeiner Höhle dahinzuvegetieren. Tief verborgen unter der Erde, wie eingepackt in einem riesigen Grab.
Aber er konnte sich bewegen. Keine Fesseln. Weder Stricke noch Draht oder Handschellen, wie man es von einem Polizisten hätte erwarten können. Innerlich lachte er auf, als er an den Polizisten dachte. Das war eine Bestie in Uniform, ein glattes, grausames Gesicht, und er konnte sich vorstellen, es nicht einmal mit einem Menschen zu tun zu haben. In seinem Kopf herrschte ein Durcheinander, und er wollte nicht wieder in den Zustand der Angst zurückfallen.
Nur nicht an ihn denken, immer bei sich selbst bleiben. Er war jetzt wichtiger.
Um die Gedanken zu vertreiben, richtete er sich auf. Nicht sehr schnell, das klappte nicht, er drückte sich mit einer langsamen Bewegung in die Höhe, wobei er schon merkte, daß in seinem Körper etwas ablief. Er kam sich vor wie jemand, der plötzlich abhebt, wobei der Körper zurückbleibt und der Geist auf Wanderschaft geht, dann aber wieder zurück in den Körper fährt.
Es war alles okay, es war alles normal. Er saß nur im Finstern fest, ansonsten gab es keine Schwierigkeiten. Niemand greift mich an, dachte er, dann keuchte er den Satz, aber nur, um die Schmerzen zu unterdrücken.
Normal, alles normal!
Marcus schaffte es, sich dies einzureden, und sein Herzschlag näherte sich wieder der Normalität.
Er blieb sitzen. Die Erde war kalt, und ihre Feuchtigkeit hatte sich auch in seine Kleidung hineingefressen. Wieder einmal mußte er dafür sorgen, daß sich sein Atem beruhigte, und er schaffte es, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren.
Langsam hob er die Arme an. Vor dem, was er vorhatte, fürchtete er sich, aber er kam nicht daran vorbei, und sehr vorsichtig legte er beide Hände gegen sein Gesicht.
Schon bei der ersten Berührung zuckte er zusammen. Innerlich verkrampfte er sich, denn schon der Hauch von einem Kontakt durchraste ihn wie ein Blitzgewitter aus Schmerzen. Besonders schlimm war es im Bereich der Nase. Als er dort hintastete, da war ihm klar, daß sie von allein nie mehr so werden würde wie früher. Der Schlag hatte sie zertrümmert. Unterhalb der Nase war sein Gesicht feucht vom Blut, das aus der Wunde geronnen war, und es klebte auf seinen Lippen.
An der Stirn fühlte er ebenfalls einige Schrammen. Sie waren nicht mit der Verletzung im Nasenbereich zu vergleichen, er konnte sie einfach vergessen.
Marcus Richter ging methodisch vor, denn er hatte sich wieder soweit gefangen, um dies überhaupt zu ermöglichen. Er tastete seinen Körper ab, suchte nach weiteren Verletzungen. Die Knie taten ihm weh, mit ihnen war er zuerst gegen den harten Untergrund geschlagen. Auch an seinen Ellenbogen stellte er die Prellungen fest, und es gab auch andere Stellen, die in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Das alles gab es, das konnte er nicht wegdiskutieren, damit würde er leben können.
Zwei Dinge hatten für ihn Priorität.
Erstens seine Freundin Tina Berg. Und zweitens mußte er eine Möglichkeit finden, dieses verdammte Gewölbe, dieses Gefängnis, diesen Tunnel, diese stockdunkle Höhle oder was immer es war, zu verlassen.
Er saß da und starrte ins Nichts. Zwar war seine Nase zerschlagen worden, das aber hatte nicht seinen Geruchssinn beeinträchtigt. Er konnte riechen, schnuppern, und er merkte sehr
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