Sheriff Tod
bald, daß in seiner Umgebung etwas nicht stimmte.
Es war der Geruch!
Bisher hatte sich der junge Deutsche darum nicht gekümmert. Das änderte sich, als er feststellen mußte, daß sich ein derartiger Geruch kaum in einer Höhle sammeln konnte, die normal war. Da war etwas anderes hinzugekommen, und er schnüffelte einige Male weiter, bis ihm plötzlich das Blut in den Kopf stieg, weil er herausgefunden hatte, wonach es roch.
Nach Leichen!
Das mußte einfach so sein. Er konnte sich nichts anderes vorstellen, denn dieser süßliche und zugleich faulige und ekelerregende Gestank wurde von einem Aas abgegeben, das sich möglicherweise in seinem erreichbaren Umkreis befand.
Etwas drückte von seinem Magen her in die Höhe. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, und tatsächlich sah es für eine Weile so aus, als müßte er sich übergeben.
Marcus konnte sich beherrschen. Er brauchte nicht zu brechen. Der Anfall ging vorüber.
Geändert aber hatte sich nichts. Noch immer hockte er in diesem stockdunklen Verlies, wo er die Hand nicht vor Augen sehen konnte. Es war leicht zu ändern, er brauchte nur in die Tasche zu greifen, das Feuerzeug hervorzuholen und es anzuknipsen.
Das tat er nicht. Irgendeine Kraft hielt ihn davon ab. Es war möglicherweise die Angst, die dazu beitrug. Er kam mit ihr nicht zurecht.
Er fürchtete sich vor dem, was er eventuell zu sehen bekam, und er dachte dabei weniger an den Geruch, als an seine Freundin Tina und deren Zustand. Vielleicht war sie auch nicht in seiner Nähe. Es konnte durchaus sein, daß man sie weggeschleift hatte. Irgendwohin, wo sich dieser verfluchte Kerl an ihr vergriffen hatte.
Wenn er zu intensiv an Tina dachte, stieg es wieder in ihm hoch. Da hatte er den Eindruck, die ganze Welt auf den Schultern zu tragen, und dafür fühlte er sich zu schwach.
Noch hatte er sich nicht von der Stelle bewegt. Das wollte er ändern.
Egal, wie es roch, er mußte versuchen, sein Gefängnis auszumessen, und er rechnete auch damit, daß er sehr schnell gegen eine Grenze oder Mauer stoßen würde.
Auf Händen und Füßen kroch er vor. Das Gefühl, nicht mehr wert als ein Wurm zu sein, stieg in ihm hoch. Er preßte die Zähne zusammen, weil er nicht aufgeben wollte. Die Kälte in seinem Innern löste sich mit Hitzewellen ab, und er lauschte dabei den klatschenden Geräuschen, die immer dann auftraten, wenn er mit einer Hand auf den kalten, feuchten Boden tappte.
Ein Hindernis!
Er spürte es an der rechten Hand, und seine Finger zuckten augenblicklich zurück.
Pause – Warten – das Herz schlug schneller.
Marcus hatte beim ersten Hintasten nicht herausfinden können, was es gewesen war. Ein Hindernis – okay, aber keine Wand oder Mauer aus Stein. Er kam nicht zurecht, und er dachte darüber nach, was es gewesen sein könnte.
Es hatte sich hart und zugleich weich angefühlt. Aber auch kalt, beinahe sogar klebrig, und es hatte keinen großen Umfang besessen. Was konnte es gewesen sein?
Ihm kam ein schlimmer Verdacht, und er stöhnte auf. In sein Stöhnen hinein aber traf ihn der Klang der Stimme wie der leise Ruf eines Engels.
»Bist du okay, Marcus…?«
***
Tina!
Himmel, es war seine Tina gewesen, die ihn da angesprochen hatte. Er wußte nicht, was er denken und wie er handeln sollte. Alles war plötzlich so anders geworden, obwohl er nicht in der Lage war, sich zu rühren. Er hatte Halluzinationen. Er sah Tina als einen Geist über sich schweben, er dachte daran, sich ihre Stimme nur gewünscht zu haben, und er wußte nicht, ob sie ihm die Worte in der Realität gesagt hatte oder nicht.
Spielte ihm die Phantasie einen Streich?
»Marcus… Marcus…«, sie drängte. »Bist du das?« Ihre Stimme zitterte durch die Finsternis. »Ich… ich… habe was gehört. Willst du nicht Antwort geben?«
»Ja, ich… ich… bin es, Tina.« Er kannte seine Stimme kaum noch wieder, hoffte aber, daß Tina begriff, wer da mit ihr gesprochen hatte.
Sie wiederholte seinen Namen, und es hörte sich noch immer so an, als könnte sie es nicht glauben.
»Wo bist du denn?«
»Hier.«
»Aber ich sehe dich nicht.«
Nach diesen Worten riß der Schleier. »Moment«, sagte er hastig.
»Moment, du kannst mich gleich sehen. Ich… ich… werde das Feuerzeug einschalten.«
»Tu das.«
Marcus hatte es plötzlich eilig. Es gab auch nichts mehr, was ihn noch daran hätte hindern können. Es war ihm egal, in welch einer Umgebung er sich befand, und als er nach dem kleinen
Weitere Kostenlose Bücher