Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel
Fall, der bedenklich nahe an schroffen Felskanten vorbeiführte, tauchte ich tief ins Wasser ein. Neben mir zappelten und strampelten meine Mitgefangenen. Nur wenige Schwimmstöße trennten uns von einem Dampfsegler, auf dessen Bug ich den Namen ACHERON entziffern konnte. Kräftige Hände streckten sich uns entgegen und hievten uns an Bord. Die herzliche Begrüßung zeigte klar: Meine Mitgefangenen gehörten zur Besatzung. Von der Gefängnisruine droben fielen vereinzelte Schüsse, doch befanden wir uns außerhalb der Schussweite.
„Na, was muss man denn von Ihnen hören, alter Junge?“ Ich fuhr herum. Neben mir stand – Sherlock Holmes!
Fast wäre ich ihm um den Hals gefallen. „Holmes! Wo kommen Sie denn her?“
„Aus Piräus. Ich kann es selbst nicht erklären! Ich schlief daheim in der Baker Street ein und erwachte in Piräus in Ihrer Herberge in Ihrem Zimmer. Aber man hat Ihnen eine Bastonade verabreicht, wie ich sehe.“
„Fünf auf jede Sohle, diese Schweine!“
„Nun, Ihr Bad im Salzwasser wird seine heilende Wirkung nicht verfehlen!“
„Hoffen wir’s. Das Gefängnis war mehr als schmutzig.“
„Darf ich Ihnen übrigens den Kapitän der ACHERON vorstellen?“ Ein hochgewachsener kahlköpfiger Mann von offensichtlich skandinavischer Abkunft trat zu uns.
„Bitte an Bord kommen zu dürfen, Käpt’n“, bat ich hastig, dem Komment auf britischen Schiffen folgend. „Verzeihen Sie meinen Aufzug.“ Ich war noch barfuß und triefend nass.
Der Kapitän nickte. „Willkommen auf der ACHERON, Dr. Watson.
Kapitän Bell. Pete Bell. Entschuldigen Sie mich bitte.“ Er wandte sich ab und rief einige Kommandos. Einer meiner Mitgefangenen hackte mit einem Haumesser zwei Taue ab, die achtern befestigt waren, und warf sie ins Wasser. Dann erzitterte das Gefährt, schwarzer Dampf stieg aus dem Schornstein empor und wir nahmen langsam Fahrt auf.
„Zwei Mann“, erklärte mir Holmes, „kletterten wie die Affen von Gibraltar den Felsen hinauf und schlangen die Taue um die Gitter.
Die ACHERON riss dann einfach die Gefängniswand heraus! Das ist moderne Technik.“
Unter dem Jubel der Mannschaft wurde am Hauptmast eine schwarze Flagge gehisst, darauf eine Glocke mit Totenkopf über zwei gekreuzten Säbeln: Der Jolly Rogers! Ich befand mich auf einem Piratenschiff! Doch ich hatte andere Sorgen!
„Um meine eigene Frage zu beantworten, wie Sie hierher kamen, Holmes: Ich glaube, ich habe Sie herbeigewünscht.“ Er blickte mich mit jener Nachsicht an, mit der man gemeinhin Kinder oder Irre anschaut. „Ja, natürlich, Watson, bestimmt! Was auch sonst? ... Aber im Ernst. Nach meiner unerwarteten Ankunft in Piräus begann ich sofort Erkundigungen einzuziehen. Der Konsul Sir Geoffrey wusste bereits von Ihnen und Elizabeth Snargrove.
Er wusste auch von Elizabeths Tod, und dass sie angeblich bis an die Hüfte eingegraben gewesen sei in einer Grotte, die sich bei Flut mit Wasser füllt. Sie habe keine Kleider angehabt.“
„Sie badete immer ohne ... Textilien.“
Er zog aus der Jacke die Kontaktabzüge meiner Bilder von Kalimera hervor.
„Das fand ich in Ihrer Unterkunft. Ist sie das?“ Ich lief hochrot an.
„Das ist ... war sie.“
„Ich muss schon sagen, Watson, welch künstlerische Aufnahmen!
Sie sind ein Meister Ihres Fachs. Chapeau!“
Ich schwieg betreten. Er hielt mir das Bild hin, das Beth gemacht hatte. „Das hier zeigt etwas sehr Bemerkenswertes.“
„Was ... wo?“
Er reichte mir seine Lupe. Tatsächlich! Im Hintergrund war klar und deutlich das Meerweib zu erkennen. Sie leckte genüsslich etwas von den Steinen. Genau an der Stelle hatte ich wie Onan ... Verlegen versuchte ich Holmes zu erklären, was geschehen war.
„Sie hat Elizabeth umgebracht. Sie trug nämlich ihre Ohrringe.“
„Das beweist leider gar nichts, mein Freund. Aber Käpt’n Bell, den ich in Piräus kennen lernte, war so freundlich, mich heimlich zu der fraglichen Grotte zu bringen. Ich stellte dort große Mengen eines mir unbekannten adhäsiven und obendrein wasserfesten biologischen Materials sicher. Spinnen weben aus so etwas ihre Netze. Elizabeth muss buchstäblich festgeklebt worden sein und konnte sich nicht aus eigener Kraft befreien. Das ist ein viel stärkerer Beweis Ihrer Unschuld!“
„Wieso denn das?“
„Können Sie etwa Klebstoff speihen?“
Ich begann gerade scharf darüber nachzudenken, als Pete Bell in Begleitung Tipples zu uns kam. Ich hoffte, er würde uns endlich in die Kombüse bitten,
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