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Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Titel: Sherlock Holmes - Der Rote Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Naturschwärme-rei keinen Platz. Seine einzige Chance, von den Bösewichtern in der Stadt Abstand zu ne hmen und Landluft zu genießen, kam dann, wenn er einmal seinen Bruder auf dem Lande besuchte.
    Holmes war zu sehr in seine Akten vertieft, um mit mir ein Gespräch anzufangen. So warf ich die ereignislose Zeitung fort, lehnte mich in meinen Sessel zurück und verfiel ins Träumen.
    Plötzlich brach die Stimme meines Freundes in meine Gedanken ein:
    »Sie haben recht, Watson«, sagte er. »Es ist wirklich grotesk, auf solche Weise einen Disput zu beenden.«
    »Völlig grotesk! « rief ich aus. Dann merkte ich plötzlich, daß er ausgesprochen hatte, was sich gerade in meiner tiefsten Seele abspielte. Ich fuhr hoch und starrte ihn mit blankem Entsetzen an.
    »Was soll das, Holmes? « rief ich. » Das übertrifft alles, was ich bisher erlebt habe.«
    Er lachte herzlich über meine Erschütterung.
    »Sie erinnern sich«, sagte er, »daß ich Ihnen vor einiger Zeit ein paar Abschnitte von Edgar Allan Poe vorlas. Da folgt ein scharfer Beobachter den unausgesprochenen Gedanken seines Gefährten. Sie, mein lieber Watson, behandelten die Sache als eine einfache tour-de-force des Autors. Ich habe Ihnen erzählt, daß ich dergleichen hin und wieder auch praktiziere, aber Sie glaubten mir nicht recht.«
    »O nein. «
    »Vielleicht haben Sie es nicht verbal ausgedrückt, aber Ihre Augenbrauen, mein lieber Watson, waren um so beredter. Ich beobachtete jetzt eben, wie Sie Ihre Zeitung wegwarfen und Ihren eigenen Gedanken nachhingen. Ich hatte das Glück, Ihnen zu folgen und Ihre Gedanken zu lesen. Schließlich bin ich in Ihre Gedankenkette eingebrochen, nur um Ihnen zu beweisen, daß ich Ihnen folgen konnte.«
    Ich war damit noch nicht zufrieden. »In dem Beispiel, das Sie mir vorgelesen haben«, sagte ich, »zog der Autor seine Schlußfolgerung aus den Handlungen des Mannes, den er beobachtete.
    Wenn ich mich recht erinnere, stolperte er über einen Steinhaufen, sah zu den Sternen hinauf und so weiter. Ich aber habe hier friedlich in meinem Sessel gesessen. Was für Hinweise habe ich Ihnen also gegeben?«
    »Sie schätzen sich selbst zu gering ein. Der Gesichtsausdruck ist dem Menschen gegeben, um damit seine Emotionen auszudrücken. Ihre Mimik ist Ihr getreuer Diener.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie die Kette meiner Gedanken aus meinen Gesichtszügen he-rausgelesen haben?«
    »Ja, aus Ihren Zügen, aber mehr noch aus Ihren Augen. Vielleicht wissen Sie selber nicht mehr genau, was in Ihnen vorgegangen ist?«
    »Nein, ich weiß es nicht.«
    »Dann will ich es Ihnen erzählen. Als Sie die Zeitung fortwarfen - dadurch wurde ich auf Sie aufmerksam - saßen Sie etwa eine halbe Minute mit leerem Blick da. Dann richteten Sie Ihre Augen auf das erst neuerdings gerahmte Bild von General Gordon. Ich sah durch die Veränderung in Ihrem Gesicht, daß die Gedankenkette begonnen hatte. Aber Sie kamen nicht weit.
    Ihre Augen blitzten hinüber zu dem noch ungerahmten Bild von Henry Ward Beecher, das oben auf Ihren Büchern steht. Dann haben Sie zur Wand hoch gesehen. Die Bedeutung war natürlich klar. Sie dachten daran, daß dies Bild, wenn es gerahmt wäre, den freien Platz neben Gordons Bild einnehmen könnte.«
    »Sie sind mir wirklich wunderbar gefolgt«, sagte ich. »Soweit konnte ich kaum irren. Aber nun gingen Ihre Gedanken zurück zu Beecher und Sie sahen scharf hin, als wollten Sie sich die Züge fest einprägen. Schließlich hörten die Augenlider zu zucken auf, aber Sie sahen immer noch hinüber und Ihr Gesicht war gedankenvoll. Sie haben die Zwischenfälle in Beechers Karriere betrachtet. Das konnten Sie natürlich nicht tun, ohne an die Mission zu denken, die er wegen des Nordens in der Zeit des Bürgerkrieges unternahm. Ich erinnere mich noch, mit welch zwiespältigen Gefühlen und welch leidenschaftlichen Ausbrüchen er von unseren Leuten empfangen wurde. Sie selber haben sich damals sehr erregt. Sie konnten gar nicht an Beecher denken, ohne sich jenes Zwischenfalles zu erinnern. Einen Augenblick später wanderte ihr Blick von dem Bild fort. Ich glaubte, Ihre Gedanken seien nun bei dem Bürgerkrieg.
    Aber Sie preßten die Lippen zusammen, Ihre Augen blitzten und Ihre Hände wurden zu Fäusten. Da war mir klar, daß Sie an die Tapferkeit dachten, die beide Seiten in diesem verzweifelten Kampf gezeigt haben. Aber dann wurde Ihr Gesicht wieder traurig. Sie schüttelten den Kopf. Sie dachten über die Schrecken des Krieges

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