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Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Titel: Sherlock Holmes - Der Rote Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Berge. Ganz benommen drehte ich mich nach ihm um. Mit wutverzerrtem Gesicht starrte er mich an. Wie gelähmt stand ich da, die kleine Dose in meiner Hand.
    »Stellen Sie sie sofort hin, Watson, sofort, sage ich!« Ganz überwältigt von dem Schock stellte ich die kleine Dose wieder auf den Kaminsims zurück. Sein Kopf sank auf das Kissen zu-rück und er tat einen tiefen, erleichterten Seufzer. »Ich hasse es, wenn jemand meine Sachen befingert, Watson. Sie wissen, daß ich das nicht ausstehen kann. Sie fallen mir unerträglich auf die Nerven. Sie, hin Arzt! - Es reicht, um einen Patienten ins Irrenhaus zu treiben. Mann, setzen Sie sich endlich und gönnen Sie mir meine Ruhe. «
    Dieser Zwischenfall berührte mich recht unangenehm. Seine Aggressivität und die nutzlose Aufregung im Verein mit seinen brutalen verbalen Äußerungen standen völlig im Gegensatz zu seiner normalen freundlichen und gütigen Art. Das volle Ausmaß der Veränderung in seinem Geist stand mir erschreckend vor Augen. Der körperliche Verfall war schlimm, aber daß sein edler Geist derartig gelitten hatte, war ein unerträglicher Gedanke. Ich setzte mich still und traurig hin und wartete, daß die Zeit verging. Er schien die Uhr genau wie ich im Auge zu haben,, denn es war noch nicht ganz sechs, als er mit derselben fiebrigen Art wie vorher zu reden begann.
    »Nun, Watson, haben Sie etwas Geld in der Tasche?«
    »Ja.«
    »Etwas Silber?«
    »Ja, reichlich.«
    »Wie viele Halbkronenstücke?«
    »Fünf.«
    »Ach, zu wenig! Zu wenig! Das ist ja wirklich blöd, Watson! Nun, Sie können sie immerhin in Ihre Uhrentasche stecken und den Rest Ihres Geldes in die linke Hosentasche. Danke. Auf diese Weise sind Sie besser im Gleichgewicht.«
    Die Krankheit hatte ihm den Verstand geraubt. Er erschauerte und brachte schon wieder Ge-räusche zwischen Husten und Schluchzen hervor.
    »Jetzt müssen Sie das Gas anzünden, Watson. Aber Sie müssen gut achtgeben, es darf keinen Augenblick höher als auf halber Flamme stehen. Danke, das haben Sie gut gemacht. So, jetzt müssen Sie nur noch die Rolläden herunterlassen. Watson! Dort liegt eine Zuckerzange. Bitte heben Sie das kleine Kästchen mit der Zange an und stellen Sie es zwischen die Papie re dort.
    Gut! Jetzt können Sie gehen und Mr. Culverton Smith holen, Lower Burke Street 13.«
    Um die Wahrheit zu sagen, mein Verlangen, einen Arzt zu rufen, hatte inzwischen nachgelas-sen, denn der arme Holmes phantasierte derartig, daß es gefährlich war, ihn alleine zu lassen.
    Jetzt bestand er jedoch so hartnäckig darauf, diese Person zu sehen, wie er es vorhin vehement abgelehnt hatte, jemanden um sich zu haben.
    »Den Namen habe ich noch nie gehört«, sagte ich.
    »Das ist schon möglich, mein guter Watson. Es wird Sie sicherlich überraschen, wenn ich Ihnen sage, daß der Mann, der sich am besten mit dieser Krankheit auskennt, kein Arzt ist, sondern ein Pflanzer. Mr. Culverton Smith ist ein wohlbekannter Mann in Sumatra. Zur Zeit hält er sich aber in London auf. Die Krankheit ist auf seiner Plantage ausgebrochen, weit entfernt von jeder medizinischen Hilfe. Er mußte selbst die Symptome studieren, und das hatte weit-reichende Konsequenzen. Er ist ein sehr methodischer Mensch. Nach sechs Uhr befindet er sich immer in seinem Arbeitszimmer. Deshalb wollte ich nicht, daß Sie früher zu ihm gehen.
    Sie werden ihn jetzt in seinem Zimmer antreffen. Gehen Sie zu ihm. Bitten Sie ihn herzukommen. Bitten Sie ihn, uns an seinen reichen Erfahrungen im Umgang mit dieser Krankheit teilnehmen zu lassen. Er wird uns bestimmt helfen, denn die Erforschung dieser Krankheit ist sein liebstes Hobby.«
    Ich habe Holmes' Bemerkungen als einheitliches Ganzes wiedergegeben und es erst gar nicht versucht, die Unterbrechungen, dieses Ringen nach Atem, das Sichverkrampfen der Hände, das die Schmerzen anzeigte, die er litt, wiederzugeben. In den paar Stunden, in denen ich bei ihm gewesen war, hatte sich sein Zustand verschlimmert. Die hektischen Fieberflecken waren größer und intensiver geworden, und die Augen glänzten noch fiebriger in den dunklen Hö hlen. Kalter Schweiß perlte auf seinen Brauen. Etwas von seiner lebendigen, galanten Sprechweise hatte er sich jedoch bewahren können. Bis zu seinem letzten Atemzug würde er der Meister bleiben.
    »Sie müssen ihm genau den Zustand schildern, in dem ich mich befand, als Sie mich verlie-
    ßen«, sagte er. »Sie werden ihm sagen, was Sie selber sehen, einen todkranken Mann, einen

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