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Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Titel: Sherlock Holmes - Der Rote Kreis
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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und nicht etwa an mangelndem Material, daß ich dem Publikum in den letzten Jahren so wenige Geschichten vorgelegt habe. Meine Teilnahme an seinen Abenteuern ist immer ein Privileg, das mir Diskretion und Schweigen auferlegt.
    So war es eine große Überraschung für mich, als ich am letzten Dienstag ein Telegramm von ihm erhielt - er würde niemals einen Brief schreiben, wenn ein Telegramm den gleichen Dienst tut - mit folgendem Inhalt:
    »Warum schreiben Sie nicht über den >Schrecken von Cornwall<, den seltsamsten aller Fälle, die ich bearbeitet habe?« Ich weiß nicht, was ihm gerade dieses Ereignis wieder ins Gedächtnis zurückgerufen hat oder welche Laune ihm eingab, mich darüber schreiben zu lassen. Jedenfalls beeilte ich mich, mit meinem Bericht zu beginnen, bevor er es sich anders überlegte und seinen Vorschlag widerrief. Ich suchte mir meine Notizen heraus - alle Einzelheiten, die ich mir damals notiert hatte - und lege nun die Geschichte meinen Lesern dar.
    Es war im Frühjahr 1897. Angesichts einer gleichbleibenden harten Arbeit, bei der es um höchste Genauigkeit ging, zeigte Holmes' eiserne Konstitution Symptome von Erschöpfung, ein Zustand, an dem er nicht ganz unschuldig war, da er gelegentlich auch Raubbau mit seiner Gesundheit trieb und sich zuviel zumutete. Im März dieses Jahres empfahl der berühmte Dr.
    Moore Agar von der Harley Street - auf welche dramatische Weise ihn Holmes kennengelernt hat, werde ich vielleicht ein andermal berichten - also, dieser berühmte Arzt empfahl Holmes dringend, alle Arbeit und sämtliche Fälle zur Seite zu legen und sich eine absolute Ruhepause zu gönnen, falls er nicht einen völligen gesundheitlichen Zusammenbruch riskieren wolle.
    Über seinen Gesundheitszustand kümmerte Holmes selbst sich am allerwenigsten, solange nur sein Geist gut funktionierte. Weil man ihm aber die drohende völlige Arbeitsunfähigkeit vor Augen stellte, ließ er sich schließlich doch überzeugen und entschloß sich zu Tapetenwechsel und absoluter Ruhe. So mieteten wir also in der Nähe der Poldhu-Bucht, am äußersten Ende der Halbinsel von Cornwall, eine kleine Kate.
    Es war ein einmaliges Stückchen Erde und paßte besonders gut zu der grimmigen Laune me ines Patienten. Vom Fenster unseres kleinen, weißgetünchten Hauses aus, das auf einer gras-bewachsenen Anhöhe stand, konnten wir hinuntersehen auf den unheilvollen Halbkreis der Mounts Bay. Mit ihrem schwarzen Klippenrand und den gefährlichen Riffen war sie eine be-rüchtigte Todesfalle für Segelschiffe, wo schon unendlich viele Seeleute ihr Ende gefunden hatten. Bei Nordwind liegt die Bucht friedlich da und bietet den sturmgebeutelten Schiffen Ruhe und Schutz an. Wehe aber, wenn plötzlicher Wirbelwind oder ein wilder Sturm aus Südwest aufkommt! Dann hält kein Anker mehr, der Wind bläst in die Breitseite und der letzte Kampf mit den heulenden Brechern beginnt. Der kluge Seefahrer hält weiten Abstand von dieser trügerischen Bucht.
    Von der Landseite her war unsere Umgebung nicht minder ernst und bedrückend wie von See her. Wir waren umgeben von einsamer, hügeliger Moorlandschaft von graubrauner Farbe. Ein gelegentlicher Kirchturm wies auf ein kleines, altes Dörfchen hin. Auf diesem Moor gab es viele Hinweise auf die verschwundenen Kelten, die zwar ausgestorben waren, jedoch als Ze ugen ihrer Zeit seltsame Steinmonumente hinterlassen haben. Es waren unregelmäßig aufgehäufte Steingebilde, alte Grabstätten, in denen Asche oder Gebeine der Verstorbenen ruhten, kuriose Erdgebilde, die auf prähistorisches Leben hinwiesen. Die rätselhafte Schönheit dieser Landschaft mit ihrer Atmosphäre vergangener und versunkener Zeiten regte die Phantasie meines Freundes an. Er verbrachte viel Zeit mit einsamen Spaziergängen auf dem Moor und gab sich seinen Meditationen hin. Die uralte cornische Sprache interessierte ihn ebenfalls sehr. Er ha tte, wenn ich mich recht erinnere, die Idee, daß sie mit dem Chaldäischen verwandt sein müsse und durch phönizische Kaufleute ins Land gekommen war. Um dieser These nachzugehen, hatte er sich eine Auswahl sprachwissenschaftlicher Bücher kommen lassen und sich ernsthaft daran gemacht, sich mit dieser Sprache zu befassen. Plötzlich wurden wir jedoch hier, mitten im Land der Träume, zu seiner Freude und meinem großen Kummer vor ein Problem gestellt, das gewissermaßen vor unserer Tür lag. Es erwies sich als rätselhafter und komplexer als alles, was uns von London fortgetrieben
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