Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel
sich Sherlock Holmes in Geduld, bis der Inspektor schließlich von selbst ging.
„Also, mein Freund, was haben Sie herausgefunden während ich weg war?“
„Einige sehr beunruhigende Tatsachen.“ Watsons Besorgnis übertrug sich auf Holmes. Erst recht, als er einen Ordner mit Kopien hervorholte, die er in den letzten Tagen zusammengetragen hatte und die unzweifelhaft belegten, dass Charles Morning – wenn auch entfernt – mit Raymond Grace verwandt war. Zusammen mit Holmes’ Entdeckung, dass Cecilia eine MacGregor war und dass es in ihrer Ahnenreihe sowohl einen Michael als auch eine Valerie gab, waren dies einfach zu viele Zufälle.
„Denken Sie, was ich denke, Holmes?“
„Fast. Sie glauben sicher, dass sich Cecilia an Charles Morning stellvertretend rächen will.“
„Aber ist das nicht die logischste Erklärung für alles?“
„Nicht für alles, Watson. Vergessen Sie nicht das Eis.“
„Holmes, dass ich es noch erleben darf, einmal mehr der Logik zugetan zu sein als Sie, ist fast schon eine Ehre, auch wenn es mich besorgt, weil es Ihnen nicht ähnlich sieht. Wir gehen doch inzwischen beide davon aus, dass es diesen Geist wirklich gibt. Wäre es da nicht denkbar, dass Lady Cecilia im Auftrag ihrer Vorfahrin handelt, die natürlich für die Eiszeit in London verantwortlich ist?“ Holmes nickte schweigend. Soweit hatte Watson sicher recht. Doch warum sollte Lady Valerie ihn dann beauftragen Michael zu finden?
Und das Siegel? Lady Cecilia konnte nur dann die Mörderin sein, wenn sie im Besitz desselben war und dann wäre er überflüssig in diesem Spiel. Im Moment stand es wohl Schach zugunsten des Mörders.
„Ich muss nachdenken, Watson. Da fehlt noch ein wichtiges Puzzlestück. Wir sehen uns morgen beim Frühstück.“
In seinem Zimmer schwankte Holmes einen Augenblick zwischen dem Döschen mit dem Kokain und seiner Violine. Schließlich stopfte er sich erst einmal seine Meerschaumpfeife und lehnte sich in seinem Schaukelstuhl zurück.
Stück für Stück rekonstruierte er die Geschehnisse. Angefangen bei der sehr plötzlichen Eheschließung des Dukes und Duchess of Chester, den Séancen, seiner ersten Begegnung mit Charles Morning, dem Geisterjäger und dessen Tod, dem gefrorenen Medium wenig später, dem Bild mit dem Siegel, das ihn immer noch irritierte bis hin zu den Toten und dem gefrierenden London. Wie standen all diese Dinge miteinander und mit den recherchierten Ahnenreihen in Verbindung? Vor allem, was hatte Lady Valerie damit gemeint, er müsse Michael finden?
Nachdenklich blies er den Rauch der Pfeife aus. Das Bild. Die Ähnlichkeit. Plötzlich hatte er eine Idee. Vage noch, aber ein Anfang. Er brauchte Kokain. Und vielleicht ein weiteres Gespräch mit Lady Valerie.
„Geht es Ihnen besser, Holmes?“, fragte Watson vorsichtig, als er erst zwei Tage später zum Frühstück erschien.
„Durchaus, mein Freund. Ich habe gründlich nachgedacht und ich spüre, dass ich mich der Lösung des Rätsels endlich nähere.“ In der Tat konnte eine weitere Prise Kokain und stundenlanges Violinenspiel einige Fragen klären. Auch ohne, dass die Eisprinzessin ihn ein weiteres Mal besucht hatte, wenngleich er ihr gerne noch die ein oder andere Frage gestellt hätte. Die Lösung, die sich ergeben hatte, wies noch Lücken auf, aber da alle entgegengesetzten Überlegungen nicht in Frage kamen, musste er davon ausgehen, dass sie am Wahrscheinlichsten war.
„Wir waren völlig auf dem Holzweg, indem wir Cecilia verdächtigten“, erklärte er. „Ich denke, ich weiß jetzt, wer der Mörder ist. Und auch, wo wir Michael finden. Was mir fehlt, ist das Grundmotiv. Das Warum. Ohne das kann ich meine These nicht stützen und den Täter nicht an Lestrade ausliefern.“
Watson gab ein unzufriedenes Grunzen von sich. „Versuchen Sie es doch mit einem Medium wie Madame Loulou, Holmes. Hier in der Times schreiben sie von einem, das sich sogar für die Reinkarnation von König Salomon hält und vorgibt, mit jedem Geist zu jeder Zeit in Kontakt treten zu können.“
Der Detektiv riss seinem Freund unvermittelt die Zeitung aus der Hand und überflog den Artikel.
„Watson, Sie sind unübertrefflich“, stieß er aus und klopfte seinem völlig verwirrten Freund auf die Schulter. „Das ist es. Das letzte Puzzleteil. Ich muss sofort nach Muirhurst.“
Während der Fahrt zum Anwesen des Dukes weigerte sich Holmes strikt, Watson näher einzuweihen. Noch immer war es dem Freund ein Rätsel, was dieser
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