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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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warten.«
    »Nein, nein, bleiben Sie nur hier – Doktor Watson«, sagte er, mich dem Fremden vorstellend, »hat mir vielfach in meinen wichtigsten Fällen mit Rat und Tat zur Seite gestanden, und ich bezweifle nicht, dass er mir auch in Ihrer Angelegenheit, Mr Wilson, von großem Nutzen sein wird.«
    Der dicke Herr erhob sich halb von seinem Sitz und nickte grüßend, indem er aus seinen kleinen, von Fettpolstern umgebenen Augen schnell einen forschenden Blick auf mich warf.
    »Nehmen Sie Platz«, bat Holmes, in seinen Lehnstuhl zurücksinkend, und legte die Fingerspitzen aneinander, wie er es in kritischer Stimmung zu tun pflegte. »Ich weiß, lieber Watson, dass Sie meine Vorliebe für alles Absonderliche teilen, für alles, was nicht zum ledernen Einerlei des Alltagslebens gehört. Sie haben das durch die Wärme bewiesen, mit welcher Sie einige meiner eigenen, unbedeutenden Erlebnisse wiedergegeben, ja – entschuldigen Sie – gewissermaßen ausgeschmückt haben.«
    »Allerdings interessierten mich Ihre Fälle stets ganz besonders«, erwiderte ich.
    »Sie werden sich erinnern, dass ich neulich, als wir es mit Miss Mary Sutherlands einfacher Angelegenheit zu tun hatten, die Bemerkung machte, wie die sonderbarsten Vorfälle und die merkwürdigsten Verwicklungen im Leben selbst zu finden sind. Die Wirklichkeit bringt weit Überraschenderes hervor als die lebhafteste Einbildungskraft.«
    »Eine Behauptung, die ich mir anzuzweifeln getraute.«
    »Das taten Sie, und dennoch werden Sie sich zu meiner Ansicht bekehren müssen, sonst häufe ich Beweise auf Beweise, bis Sie überführt sind und mir Recht geben. Mr Jabez Wilson hier war so freundlich, mich heute Morgen aufzusuchen, um mir etwas zu erzählen, was man nicht alle Tage zu hören bekommt. Ich sagte schon früher, dass ungewöhnliche Dinge häufiger bei kleinen als bei großen Verbrechen vorkommen, ja in Fällen, bei denen es zuweilen sogar zweifelhaft ist, ob überhaupt ein Verbrechen vorliegt. Vielleicht handelt es sich auch im vorliegenden Fall um kein Verbrechen – so viel ist aber gewiss, dass er höchst merkwürdig ist. Hätten Sie wohl die große Gefälligkeit, noch einmal von vorn anzufangen, Mr Wilson? Ich bitte nicht allein darum, weil mein Freund den ersten Teil nicht gehört hat, sondern weil mir daran liegt, jede in Betracht kommende Einzelheit möglichst genau zu vernehmen. Gewöhnlich vermag ich mir schon bei oberflächlicher Angabe der Begebenheiten ein Bild vom Ganzen zu machen durch den Vergleich mit den zahllosen ähnlichen Fällen, deren ich mich entsinne. Hier aber lässt mich jegliche Mutmaßung im Stich.«
    Mit einem gewissen Stolz warf sich der behäbige Klient in die Brust und zog ein schmutziges, zerknittertes Zeitungsblatt aus der Rocktasche. Während er vorgebeugt den Anzeigenteil des Blattes durchsah, das er auf seinen Knien ausbreitete, hatte ich Zeit, den Mann ruhig zu betrachten und nach Art meines Freundes zu versuchen, ob ich aus seinem Äußeren gewisse Anhaltspunkte gewinnen könnte, um mir ein Urteil über ihn zu bilden. Viel kam dabei jedoch nicht heraus.
    Unserem Besucher war der Stempel eines ganz gewöhnlichen Durchschnittsmenschen aufgeprägt; sein wohlgenährtes, schwerfälliges und bedächtiges Aussehen bestätigte das – vermutlich gehörte er dem Kaufmannsstand an. Er trug sehr weite graukarierte Beinkleider, einen nicht allzu sauberen schwarzen Rock, der nicht zugeknöpft war, eine hellgraue Tuchweste und eine schwere vernickelte Uhrkette, an deren Ende ein viereckiges Metallstück als Verzierung baumelte. Ein abgeschabter Zylinder und ein ebensolcher Überzieher mit runzeligem Samtkragen lagen auf dem Stuhl neben ihm. So gespannt ich den Mann auch betrachtete, fand ich an ihm weiter nichts Bemerkenswertes als sein feuerrotes Haar und einen Ausdruck von Verdruss und Missmut in seinen Zügen.
    Sherlock Holmes’ geübtem Auge entging mein Versuch nicht, und lächelnd schüttelte er den Kopf über meine forschenden Blicke. Dann sagte er: »Dass Mr Wilson eine Zeit lang Handwerker war, dass er schnupft, dass er Freimaurer ist, dass er in China war und kürzlich sehr viel geschrieben hat, sind Dinge, die klar auf der Hand liegen – weiter kann ich ihm aber nichts ansehen.«
    Jabez Wilson schrak auf seinem Stuhl zusammen; den Zeigefinger auf der Zeitung, starrte er zu meinem Freund hin.
    »Woher in aller Welt wissen Sie das alles, Mr Holmes?«, fragte er. »Woher wissen Sie zum Beispiel, dass ich Handwerker war?

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