Sherlock Holmes - gesammelte Werke
verschwand im Loch; Jones erwischte gerade noch seinen Rockschoß, von dem ihm ein Fetzen in der Hand blieb. Das Licht schien in diesem Augenblick auf den Lauf eines Revolvers, aber Holmes’ Hirschfänger traf des Mannes Handgelenk, sodass die Waffe klirrend auf den Steinboden fiel.
»Es hilft alles nichts, John Clay«, sagte Holmes schmeichelnd, »Sie kommen nicht durch.«
»Das merke ich«, erwiderte der andere mit völliger Gelassenheit. »Aber wie mir scheint, kommt mein Gefährte glücklich davon, obwohl Sie, wie ich sehe, seinen Rockschoß haben.«
»Drei Männer erwarten ihn an der Tür.«
»Ah, wirklich! Sie scheinen die Sache recht gründlich gemacht zu haben. Ich muss Ihnen gratulieren.«
»Und ich Ihnen«, erwiderte Holmes. »Ihr Einfall war neu und sehr wirksam.«
»Sie werden Ihren Helfershelfer sogleich wiedersehen«, meinte Jones. »Der kriecht schneller durch die Löcher als ich es vermag. Warten Sie, ich lege Ihnen gleich die Fesseln an.«
»Ich bitte, mich nicht mit Ihren schmutzigen Händen zu berühren«, bemerkte unser Gefangener, als die Handschellen an seinen Gelenken rasselten. »Vielleicht wissen Sie nicht, dass fürstliches Blut in meinen Adern fließt. Haben Sie die Güte, mich ›Herr‹ zu nennen und ›bitte‹ zu sagen, wenn Sie mit mir reden.«
»Ganz recht«, versetzte Jones und kicherte verdutzt. »So bitte ich den Herrn, sich gefälligst hinaufzubegeben, wo wir einen Wagen nehmen können, um Eure Hoheit nach der Polizei zu geleiten.«
»Das klingt besser«, meinte John Clay zufrieden. Er verneigte sich höflich vor uns dreien und schritt gelassen unter der Führung des Polizeibeamten davon.
»Mr Holmes«, rief Merryweather, als wir den beiden aus dem Keller folgten, »ich weiß wirklich nicht, wie Ihnen die Bank das danken und vergelten soll. Sie haben ohne Zweifel den frechsten Bankeinbruch, der je geplant wurde, auf wunderbare Weise entdeckt und vereitelt.«
»Ich hatte noch von früher her einiges mit John Clay abzurechnen«, erwiderte Holmes. »Mehrere kleine Ausgaben, die mir durch diese Angelegenheit erwachsen sind, wird die Bank wohl tragen, sonst aber finde ich reichliche Entschädigung in der gemachten Erfahrung, die in vieler Hinsicht einzig dasteht, sowie in meinem Vergnügen an der ergötzlichen Erzählung vom Bund der Rothaarigen.«
»Sehen Sie, Watson«, erklärte er mir, als wir in früher Morgenstunde in seiner Wohnung bei einem Glas Whisky und Sodawasser saßen, »es war vom ersten Moment an vollkommen klar, dass diese etwas tolle Geschichte mit der Anzeige des Bundes und dem Abschreiben der Enzyklopädie keinen anderen Zweck haben konnte, als den nicht sehr hellen Trödler täglich für einige Stunden aus dem Weg zu schaffen. Das Mittel, dies zu erreichen, war sonderbar, aber ein besseres ließe sich schwerlich ersinnen. Ohne Zweifel kam John Clays erfinderischer Geist durch die Haarfarbe seines Mitschuldigen auf den Einfall. Die vier Pfund wöchentlich waren der Köder, und was lag an diesem Betrag, wo es sich um Tausende handelte. Sie rücken die Anzeige ein; der eine Taugenichts führt das zeitweilige Geschäft, der andere Taugenichts veranlasst den Mann, sich um die Stelle zu bewerben, und zusammen sorgen sie dafür, dass er jeden Morgen in der Woche abwesend ist. Sobald ich erfuhr, der Gehilfe arbeite für halben Lohn, war es mir zweifellos, dass für ihn ernste Gründe vorlagen, sich die Stellung zu wahren.«
»Aber wie konnten Sie seine Beweggründe erraten?«
»Wären Frauen im Haus gewesen, hätte ich einfach eine alltägliche Intrige vermutet. Doch stand eine solche außer Frage. Das Geschäft des Mannes war bescheiden, und nichts im Haus vermochte solche abgefeimten Vorbereitungen und Auslagen zu rechtfertigen. Also musste es sich um etwas außerhalb des Hauses handeln. Aber um was? Ich dachte an des Gehilfen Liebhaberei für das Fotografieren, an seine Vorliebe, im Keller zu verschwinden. Der Keller! Da lag die Lösung des Rätsels. – Ich zog Erkundigungen ein über diesen geheimnisvollen Gehilfen, und bald war mir klar, dass ich es mit einem der kecksten und verschmitztesten Verbrecher Londons zu tun hatte. Er machte sich im Keller zu schaffen – und zwar mit etwas, das für Monate täglich viele Stunden erforderte. Was mochte das nur sein? Ich konnte mir nichts anderes denken, als dass er einen Gang zu einem anderen Gebäude grub.
So weit war ich gekommen, als wir die Örtlichkeiten besuchten. Sie staunten, als ich mit dem Stock auf
Weitere Kostenlose Bücher