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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Tatbestand mit, Mr Munro!«, sagte Holmes etwas ungeduldig.
    »Ich will Ihnen erzählen, was ich von Effies Leben weiß. Sie war Witwe, als ich sie zum ersten Mal sah, obwohl noch ganz jung – erst einundzwanzig. Sie hieß damals Mrs Hebron. Sie kam als ganz kleines Kind nach Amerika und lebte in der Stadt Atlanta, wo sie diesen Hebron, einen gesuchten Anwalt, heiratete. Sie hatten ein einziges Kind, aber das gelbe Fieber brach dort aus, und Mann und Kind wurden beide von der Seuche hinweggerafft. Ich habe selbst seine Sterbeurkunde gesehen. Das verleidete ihr den weiteren Aufenthalt in Amerika, und sie kam wieder herüber und lebte bei einer unverheirateten Tante in Pinner in Middlesex. Es bleibt noch zu erwähnen, dass ihr Mann gut für sie gesorgt hatte und dass sie ein Kapital von viertausendfünfhundert Pfund besaß, das von ihm so vorteilhaft angelegt war, dass es durchschnittlich sieben Prozent abwarf. Sie war erst sechs Monate in Pinner, als ich mit ihr zusammentraf; wir verliebten uns ineinander, und nach wenigen Wochen fand die Hochzeit statt.
    Ich für meine Person bin Hopfenhändler, und da ich ein Einkommen von siebenhundert oder achthundert Pfund hatte, litten wir keine Not, und ich mietete uns für jährlich achtzig Pfund eine Villa in Norbury. Unser kleines Heim sieht sehr ländlich aus, wenn man bedenkt, dass es so nahe an der Stadt liegt. Weiter oben, nicht fern von uns, lagen nur eine Wirtschaft und zwei Häuser, und dann stand noch ein einzelnes Landhaus jenseits des Feldes uns gegenüber; außerdem gab es keine Häuser bis halbwegs zur Station. Zu manchen Jahreszeiten musste ich wegen des Geschäfts in die Stadt; im Sommer aber gab’s weniger zu tun, und dann lebte ich in unserem Landhaus mit meiner Frau so glücklich, wie man es nur wünschen kann. Ich wiederhole, es war niemals auch nur ein Schatten zwischen uns, bis diese verfluchte Geschichte kam.
    Eins muss ich Ihnen noch sagen, ehe ich fortfahre. Als wir heirateten, übertrug meine Frau ihr ganzes Eigentum auf mich – eigentlich gegen meinen Willen, denn ich dachte, was für eine üble Geschichte das gäbe, wenn mein Geschäft schlecht ginge. Jedoch sie wollte es so haben, und so machten wir’s. Gut, vor sechs Wochen etwa kam sie zu mir.
    ›Jack!‹, sagte sie. ›Als du mein Geld nahmst, sagtest du, wenn ich je etwas haben wollte, solle ich es dir nur sagen.‹
    ›Gewiss‹, sagte ich, ›es ist alles dein.‹
    ›Gut‹, sagte sie, ›ich brauche hundert Pfund.‹
    Ich war ein bisschen verblüfft, denn ich hatte gedacht, es wär nur ein neues Kleid oder dergleichen, was ihr im Kopf steckte.
    ›Wozu in aller Welt?‹, fragte ich.
    ›Oh‹, sagte sie in ihrer scherzenden Weise, ›du hast gesagt, du wärst nur mein Bankier, und Bankiers fragen einen niemals, wozu, wie du weißt.‹
    ›Wenn es wirklich dein Ernst ist, sollst du natürlich das Geld haben‹, sagte ich.
    ›Ja doch, es ist wirklich mein Ernst.‹
    ›Und du willst mir nicht sagen, wozu du es brauchst?‹
    ›Später vielleicht, Jack, jetzt aber nicht.‹
    Damit musste ich mich zufriedengeben, obwohl es das erste Mal war, dass wir eine Heimlichkeit voreinander hatten. Ich gab ihr eine Anweisung und dachte nicht mehr an die Geschichte. Vielleicht hat das auch gar nichts mit dem, was nachher kam, zu tun, aber ich glaubte, es wäre besser, ich teilte es Ihnen mit.
    Ich sagte Ihnen vorhin, es liegt ein Landhaus nicht weit von unserem Haus. Dazwischen liegt ein Feld; aber wenn man hinwill, muss man die Straße ein Stückchen hinuntergehen und dann in einen schmalen Weg zwischen zwei Hecken einbiegen. Gerade hinter diesem Landhaus fängt ein hübsches Tannenwäldchen an, und da trieb ich mich besonders gerne herum, denn Bäume ziehen einen immer an. Das kleine Landhaus hatte ganze acht Monate leergestanden, und das war schade, denn es war ein nettes zweistöckiges Ding mit einem altmodischen Säulengang, von Geißblatt umrankt. Ich habe manchmal dagestanden und gedacht, was das für ein herziges Daheim geben müsste.
    Letzten Montag gehe ich wieder einmal da hinunter, als mir auf dem Heckenweg ein leerer Möbelwagen entgegenkommt und ich einen Haufen Teppiche und Zeugs auf dem Rasenplatz bei dem alten Portikus liegen sehe. Es war klar, das Häuschen war endlich doch vermietet worden. Ich ging vorbei, blieb dann stehen, wie man’s macht, wenn man nichts zu tun hat, und guckte nochmals hin und dachte, was das wohl für Leute wären, die unsere nächsten Nachbarn sein sollten.

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