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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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mir scheint, draußen erhebt sich ein frischer Luftzug. Wollen wir nicht noch einen Abendspaziergang in den Londoner Straßen machen?«
    Ich hatte es herzlich satt, in unserem engen Wohnzimmer zu sitzen, und folgte bereitwillig seiner Aufforderung. Drei Stunden lang streiften wir in Fleet Street und dem Strand umher und betrachteten das vielgestaltige Menschengetriebe, das dort fortwährend auf und nieder wogt. Holmes ließ seiner Beobachtungsgabe freien Lauf; seine anziehenden Gespräche und scharfsinnigen Bemerkungen fesselten und belustigten mich in hohem Grad.
    Erst gegen zehn Uhr kehrten wir in die Baker Street zurück. Ein Einspänner wartete vor unserer Tür.
    »Hm! Ein Arztwagen, wie ich sehe«, sagte Holmes. »Offenbar ein praktischer Arzt – erst kurze Zeit im Beruf, hat aber schon viel zu tun. Er will sich vermutlich Rat bei uns holen. Ein Glück, dass wir rechtzeitig nach Hause gekommen sind.«
    Ich kannte meinen Freund genugsam, um mich über seine Schlüsse nicht sonderlich zu verwundern. Ein Korb mit chirurgischen Instrumenten, der im Innern des Wagens hing und von den Laternen beschienen wurde, hatte ihm all diese Einzelheiten verraten. Oben in unserem Fenster sahen wir Licht, ein Zeichen, dass der späte Besuch wirklich uns galt. Nicht ohne Neugier, was mein Herr Kollege um diese Stunde noch hier zu suchen kam, folgte ich Holmes in unsere Behausung.
    Ein bleicher Mann mit hagerem Gesicht und blondem Backenbart stand vom Stuhl auf, als wir eintraten. Er mochte etwa vierunddreißig Jahre alt sein, aber seine ungesunde Farbe und die eingefallenen Wangen erzählten von einer Lebensweise, die seine Kraft verzehrt und ihn früh alt gemacht hatte. Sein Wesen war schüchtern und unsicher, und seine schmale weiße Hand, die er beim Aufstehen auf das Kaminsims legte, hätte besser für einen Künstler als für einen Chirurgen gepasst. Er trug einen schwarzen Überrock und dunkle Beinkleider, nur seine Krawatte hatte ein wenig Farbe.
    »Guten Abend, Herr Doktor«, redete ihn Holmes freundlich an, »es ist gut, dass Sie nicht länger als ein paar Minuten auf uns zu warten brauchten.«
    »Sie haben wohl mit meinem Kutscher gesprochen?«
    »Nein, ich sehe es an dem Licht hier auf dem Nebentisch. Bitte nehmen Sie wieder Platz und sagen Sie mir, was zu Ihren Diensten steht.«
    »Erlauben Sie, dass ich mich Ihnen vorstelle. Ich bin Doktor Percy Trevelyan und wohne in der Brook Street 403.«
    »Sind Sie vielleicht der Verfasser einer Abhandlung über ›unsichtbare krankhafte Veränderungen im Nervensystem‹?«, fragte ich.
    Seine bleichen Wangen färbten sich vor Vergnügen, als er hörte, dass mir sein Werk bekannt sei.
    »Es kommt so selten vor, dass jemand meine Arbeit erwähnt«, sagte er, »ich glaubte schon, sie wäre ganz verschollen. Mein Verleger spricht sich äußerst entmutigend über den Absatz aus. Vermutlich sind Sie selbst Mediziner?«
    »Ich war früher Regimentsarzt.«
    »Nervenkrankheiten sind mir schon von jeher interessant gewesen; am liebsten würde ich sie zu meiner Spezialität machen, aber man muss natürlich nehmen, was gerade kommt. – Doch dies gehört nicht zur Sache, Mr Holmes, und ich kann mir denken, wie wertvoll Ihre Zeit ist. Bei mir in der Brook Street haben sich merkwürdige Dinge zugetragen, und die ganze Angelegenheit hat sich heute Abend so sehr zugespitzt, dass ich auch keine Stunde länger warten wollte, ohne Sie um Rat und Beistand zu bitten.«
    Sherlock Holmes setzte sich und zündete seine Pfeife an. »Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung«, sagte er. »Bitte teilen Sie mir so ausführlich wie möglich mit, was Sie beunruhigt hat.«
    »Es kommen verschiedene sehr geringfügige Umstände dabei mit ins Spiel – fast schäme ich mich, davon zu sprechen. Doch ist mir die Sache vollkommen unerklärlich, und sie hat zuletzt noch eine so außergewöhnliche Wendung genommen, dass ich Ihnen den genauen Sachverhalt darlegen muss, damit Sie selbst urteilen, was wesentlich oder nebensächlich ist.
    Ich muss auf meine Studienzeit zurückgreifen. Die Professoren an der Londoner Universität, die ich besuchte, hielten große Stücke auf mich; das kann ich sagen, ohne mich zu überheben. Nach abgelegtem Examen setzte ich meine wissenschaftlichen Untersuchungen fort und erhielt eine Assistentenstelle im King’s College Hospital. Meine Beobachtungen der Krankheitserscheinungen bei der Starrsucht erregten einiges Aufsehen, und zugleich wurde mir auch der Pinkerton-Preis und die große

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