Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
fühlt, der am Waldloch liegt und auf das Hochwild lauert. Die Kirchenuhr in Woking schlug die Viertelstunden an, und ich glaubte mehr als einmal, sie müsse stehen geblieben sein. Endlich, gegen zwei Uhr morgens hörte ich plötzlich, dass ein Riegel leise fortgezogen wurde und ein Schlüssel im Loch klirrte. Gleich darauf öffnete sich die Hintertür, und Mr Josef Harrison trat in den Mondschein heraus.«
    »Was – Josef?«, rief Phelps.
    »Er war barhäuptig, hatte aber einen schwarzen Mantel übergeworfen, mit dem er sein Gesicht augenblicklich verhüllen konnte, wenn Lärm entstand. Er schlich sich auf den Fußspitzen an der Mauer hin, und als er das Fenster erreichte, steckte er ein Messer mit langer Klinge unter den Fensterrahmen, schob den Riegel zurück und stieß das Fenster in die Höhe. Dann bohrte er das Messer durch einen langen Spalt im inneren Laden, hob die Querstange ab und öffnete ihn.
    Von der Stelle aus, wo ich lag, konnte ich allen seinen Bewegungen folgen und das ganze Zimmer übersehen. Er zündete drinnen die beiden Lichter auf dem Kaminsims an und begann, die Ecke des Teppichs neben der Tür aufzuheben. Dann bückte er sich und nahm ein viereckiges Stück der Diele heraus, das wohl beim Legen der Gasröhren nicht befestigt worden war, um etwaige Ausbesserungen zu erleichtern; der Anschluss des Rohrs nach der Küche zu musste dort sein. Aus der Vertiefung holte er die Papierrolle hervor, passte das Brett wieder ein, deckte den Teppich darüber, blies die Lichter aus und lief mir dann geradewegs in die Arme, denn ich stand draußen vor dem Fenster und wartete auf ihn.
    Mr Josef hat übrigens mehr Bosheit im Leib, als ich ihm zugetraut hätte. Er stieß mit dem Messer nach mir; ich musste ihn zweimal zu Boden werfen und erhielt einen Schnitt quer über das Handgelenk, ehe ich die Oberhand bekam. Das eine Auge, mit dem er noch sehen konnte, als wir zwei miteinander fertig waren, funkelte zwar vor Mordlust, aber er nahm doch Vernunft an und lieferte mir das Schriftstück aus. Sobald ich es hatte, ließ ich den Mann laufen; doch versäumte ich es nicht, die Geschichte gleich heute früh ausführlich an Forbes zu telegrafieren. Wenn er sich sehr beeilt, kann er den Vogel noch fangen. Findet er aber, wie ich vermute, das Nest bereits leer, so ist das umso besser für die Regierung. Lord Holdhurst und Percy Phelps werden es wahrscheinlich lieber sehen, wenn die ganze Sache niemals vor das Polizeigericht kommt.«
    »Großer Gott!«, stieß unser Klient keuchend hervor. »Ist es denn möglich, dass während der langen entsetzlichen zehn Wochen voll namenloser Angst die gestohlenen Papiere bei mir im Zimmer gelegen haben?«
    »Ganz recht – so war es.«
    »Und Josef – ein Dieb und ein Bösewicht!«
    »Josef ist allerdings ein versteckterer und gefährlicherer Charakter, als man nach seinem Äußeren denken sollte. Er hat mit großem Verlust an der Börse gespielt, wie ich heute morgen von ihm erfuhr, und schreckte nun vor nichts zurück, um wieder zu Geld zu kommen. Als sich ihm die Gelegenheit bot, machte der durch und durch selbstsüchtige Mensch sich kein Gewissen daraus, Ihren guten Namen zu zerstören und seiner Schwester Glück zu opfern.«
    Percy Phelps sank in den Stuhl zurück. »Ich bin wie betäubt«, sagte er, »es schwirrt mir alles im Kopf herum.«
    »Die größte Schwierigkeit bei Ihrem Fall«, fuhr Holmes in seiner lehrhaften Art fort, »war der Überfluss an Beweismaterial. Alles ging durcheinander – Wichtiges und ganz Unerhebliches; wir mussten aus sämtlichen Tatsachen, die man uns vorlegte, erst das Brauchbare heraussuchen und zusammensetzen, um die merkwürdige Kette der Begebenheiten in ihrer ursprünglichen Reihenfolge wieder herzustellen. – Mein Verdacht war auf Josef gefallen, sobald ich erfuhr, dass Sie an jenem Abend mit ihm nach Hause fahren wollten. Was war wohl natürlicher, als dass er auf seinem Weg zum Bahnhof im Ministerium – wo er gut Bescheid wusste – vorsprach, um Sie abzuholen? Als Sie mir dann von dem beabsichtigten Einbruch in Ihr Schlafzimmer erzählten, wo doch niemand etwas hatte verstecken können außer Josef, der bei Ihrer plötzlichen Erkrankung ganz unerwartet ausquartiert worden war, um Ihnen Platz zu machen, da wurde mein Argwohn zur Gewissheit. Der saubere Herr hatte zu seinem Versuch die erste Nacht gewählt, als keine Wärterin im Krankenzimmer war; er wusste also genau, was im Haus vorging.«
    »Oh, ich war mit Blindheit

Weitere Kostenlose Bücher