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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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geschlagen!«
    »Ich habe nun über den Gang der Ereignisse bis jetzt etwa Folgendes festgestellt: Josef Harrison kam von der Charles Street her durch die Hintertür; er kannte den Weg zu Ihrem Arbeitszimmer und trat ein, als Sie es soeben verlassen hatten. Da niemand da war, ging er an den Klingelzug und läutete, wobei er zugleich das Schriftstück zu Gesicht bekam, welches auf dem Tisch lag. Ein Blick überzeugte ihn, dass der Zufall ihm eine Staatsurkunde von größter Wichtigkeit in die Hand gespielt hatte; mit Blitzesschnelle steckte er sie in die Tasche und verschwand damit. Wie Sie wissen, vergingen einige Minuten, bis der schlaftrunkene Türhüter Ihre Aufmerksamkeit auf die Glocke lenkte, aber diese kurze Zeit genügte, um dem Dieb die Flucht zu ermöglichen.
    Er fuhr mit dem ersten Zug nach Woking, besichtigte seine Beute, erkannte, wie wertvoll sie sei, und verbarg sie an einem Platz, den er für ganz sicher hielt. Seine Absicht war wohl, das Dokument nach einigen Tagen wieder aus dem Versteck herauszunehmen und es der französischen oder russischen Gesandtschaft um hohen Preis zu verkaufen. Da brachte der Doktor Sie plötzlich nach Hause, und er wurde ohne alle Vorbereitung aus seinem Zimmer entfernt. Seitdem waren dort stets mindestens zwei Menschen anwesend, sodass er unmöglich seines Schatzes habhaft werden konnte. Es muss für ihn eine verzweifelte Lage gewesen sein. Als er endlich hoffte, die günstige Gelegenheit sei da, machte ihm Ihre Schlaflosigkeit einen Strich durch die Rechnung.«
    »Ich hatte an dem Abend meinen gewöhnlichen Schlaftrunk nicht genommen.«
    »Er mag wohl dafür gesorgt haben, den Trank recht wirksam zu machen, damit er sicher sein konnte, Sie würden nicht aufwachen. Dass er den Versuch so bald wie möglich wiederholen würde, war mir außer Zweifel. Ihre Fahrt nach London verschaffte ihm die Gelegenheit. Ich bat Miss Harrison, den Tag über im Zimmer zu bleiben, weil mir der Dieb sonst zuvorgekommen wäre. Als ich ihn in dem Glauben wusste, er habe nun freie Hand, hielt ich an Ort und Stelle Wache, wie Sie bereits wissen. Obwohl ich fest überzeugt war, der Vertrag müsse in dem Zimmer versteckt sein, wollte ich doch nicht erst alle Dielen aufbrechen und das Getäfel durchsuchen. Ich ließ ihn daher den Schatz selber heben und ersparte mir damit viel Mühe und Arbeit. – Ist nun noch ein Punkt vorhanden, über den ich Auskunft geben soll?«
    »Weshalb hat er denn bei dem ersten Versuch durchs Fenster steigen wollen, während er doch nur zur Tür hereinzugehen brauchte?«, erkundigte ich mich.
    »Um die Haustür zu erreichen, hätte er an sieben Schlafzimmern vorbei gemusst. Zum Fenster hinaus konnte er aber leicht auf den Grasplatz springen.«
    »Sie glauben aber doch nicht«, fragte Phelps, »dass er mörderische Absichten hatte? – Nicht wahr, das Dolchmesser sollte ihm nur als Werkzeug dienen?«
    »Wohl möglich«, erwiderte Holmes, die Achseln zuckend. »So viel aber steht fest, dass Josef Harrison kein Mensch ist, auf dessen Gnade und Barmherzigkeit ich mich verlassen möchte.«

D AS LETZTE P ROBLEM
    Mit schwerem Herzen greife ich zur Feder, um den hervorragenden Geistesgaben meines Freundes Holmes für alle Zeiten das letzte Denkmal zu setzen. Was meine frühere Darstellung der merkwürdigen Fälle betrifft, welche ich in Gemeinschaft mit ihm von Beginn unserer Bekanntschaft an bis in die neueste Zeit hinein erleben durfte, bin ich mir lebhaft bewusst, wie viel dieselbe zu wünschen übrig lässt. Ich hatte mir deshalb vorgenommen, es dabei bewenden zu lassen und den Vorfall, der vor zwei Jahren eine Lücke in mein Leben gerissen hat, welche ich heute noch in fast ungeschwächtem Maße empfinde, nicht in den Kreis meiner Darstellung zu ziehen. Die jüngst erschienenen Briefe, worin Oberst James Moriarty das Andenken seines Bruders zu verteidigen sucht, haben mir jedoch die Feder in die Hand gedrückt und mir keine andere Wahl gelassen, als von dem Hergang der Sache eine streng der Wirklichkeit entsprechende öffentliche Darlegung zu geben. Ich bin der Einzige, der den Verlauf der Sache in allen seinen Einzelheiten aufs Genaueste kennt, und erfreulicherweise liegt jetzt keinerlei vernünftiger Grund mehr vor, solchen zu verschweigen. Die, soviel mir bekannt, über den Fall erschienenen Zeitungsberichte enthalten nur eine ganz gedrängte Darstellung desselben, während die vorerwähnten Briefe, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, auf eine völlige Verdrehung der

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