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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Wahrheit hinauslaufen. So kann ich mich der Aufgabe nicht entschlagen, die Vorgänge zwischen Professor Moriarty und Sherlock Holmes zum ersten Mal genau der Wirklichkeit gemäß zu schildern.
    Infolge meiner Verheiratung und des Beginns meiner ärztlichen Privatpraxis war, wie man sich vielleicht erinnern wird, mein Verkehr mit Holmes ein etwas beschränkterer geworden. Er suchte mich zwar noch immer von Zeit zu Zeit auf, wenn er einen Gefährten bei seinen Nachforschungen wünschte, allein diese Anlässe wurden immer seltener, sodass im Jahre 1890 meinen Aufzeichnungen zufolge ein derartiger Fall nur noch dreimal vorkam. Wie meine Aufzeichnungen weiter ergeben, war Holmes Ende 1890 und Anfang 1891 für die französische Regierung in einer hochwichtigen Angelegenheit tätig, und ich hatte zwei Mitteilungen von ihm erhalten, die eine aus Narbonne, die andere aus Nimes, aus denen ich entnehmen musste, dass sein Aufenthalt in Frankreich vermutlich von längerer Dauer sein werde. Ich war daher einigermaßen überrascht, als ich ihn am 24. April abends in mein Arbeitszimmer treten sah. Dabei fand ich zu meiner weiteren Überraschung, dass sein Aussehen noch blasser und magerer war als sonst.
    »Ja, ich habe etwas zu rücksichtslos auf mich hinein gehaust«, bemerkte er und beantwortete damit mehr die Blicke, mit denen ich ihn betrachtete, als die Worte, die ich an ihn gerichtet hatte, »ich war in letzter Zeit etwas sehr abgespannt. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihre Läden schließe?«
    Das einzige Licht in meinem Zimmer kam von der Lampe auf dem Tisch, an dem ich gesessen hatte. Holmes ging dicht an der Wand hin und zog dann die Läden zu, die er sorgfältig verriegelte.
    »Sie haben, scheint es, Angst vor etwas?«, fragte ich.
    »Allerdings.«
    »Wovor?«
    »Vor Windbüchsen.«
    »Was soll das heißen, mein lieber Holmes?«
    »Ich glaube, Sie kennen mich hinreichend, Watson, um zu wissen, dass Ängstlichkeit durchaus nicht meine Schwäche ist. Trotzdem wäre es in meinen Augen vielmehr eine Torheit als ein Beweis von Mut, eine unmittelbar drohende Gefahr geflissentlich übersehen zu wollen. Darf ich Sie um Feuer bitten?«
    Damit steckte er sich eine Zigarette an, deren beruhigenden Duft er mit sichtlichem Behagen einsog.
    »Ich muss mich entschuldigen, dass ich so spät bei Ihnen vorspreche«, fuhr er fort, »und muss Sie weiter um die eigentümliche Gunst bitten, mir zu gestatten, dass ich mich nachher über Ihre Gartenmauer empfehle.«
    »Aber was hat das alles zu bedeuten?«, fragte ich.
    Er streckte seine Hand aus, und im Schein der Lampe sah ich, dass zwei seiner Knöchel geschürft waren und bluteten.
    »Wie Sie sehen, handelt es sich um keine Hirngespinste«, bemerkte er lächelnd, »die Sache ist im Gegenteil so greifbarer Natur, dass dabei die Hand zu Schaden kommen kann. Ist Ihre Frau zu Hause?«
    »Nein, sie ist auswärts zu Besuch.«
    »Wirklich? Sie sind allein?«
    »Völlig allein.«
    »Dann fällt es mir umso weniger schwer, Ihnen den Vorschlag zu machen, mich für eine Woche auf den Kontinent zu begleiten.«
    »Wohin?«
    »Oh, irgendwohin, das ist mir ganz gleichgültig.«
    Das alles kam mir höchst auffallend vor: Dass Holmes sich einen zwecklosen Urlaub gönnen sollte, sah ihm schon an sich durchaus nicht ähnlich, und in seinem blassen, müden Gesicht lag etwas, das mir zeigte, dass seine Nerven im höchsten Grad überreizt waren. Als er meinem fragenden Blick begegnete, legte er die Fingerspitzen aneinander, stützte die Ellbogen auf die Knie und schickte sich an, mir die Sachlage auseinanderzusetzen.
    »Sie haben vermutlich nie etwas von Professor Moriarty gehört?«, begann er.
    »Niemals.«
    »Ja, ja, darin steckt eben das Geniale und das Wunderbare bei der Sache!«, rief er aus. »Der Mann treibt sich in ganz London herum, und kein Mensch hat je von ihm gehört. Das weist ihm einen der hervorragendsten Plätze in den Annalen des Verbrechertums an. Ich sage Ihnen, Watson, in allem Ernst, könnte ich über diesen Menschen triumphieren, könnte ich die Menschheit von ihm befreien, hätte ich das Bewusstsein, das höchste Ziel in meiner Laufbahn erreicht zu haben, und wäre bereit, mich einer beschaulicheren Lebensaufgabe zuzuwenden. Unter uns gesagt, haben die Dienste, die ich in neuester Zeit dem schwedischen Königshaus und der französischen Republik geleistet habe, mir so reichlichen Lohn eingebracht, dass ich sofort in der Lage wäre, mir eine ruhige Lebensweise, wie sie meinen Neigungen

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