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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Stunde. Dort holt er uns ein.«
    »Man sollte gerade glauben, wir wären die Verbrecher! – Wollen wir ihn nicht bei unserer Ankunft verhaften lassen?«
    »Damit wäre die Arbeit von drei Monaten zunichte gemacht. Den großen Fisch hätten wir dann allerdings gefangen, aber die kleinen würden uns rechts und links aus dem Netz schlüpfen, während wir sie am Montag alle miteinander bekommen. Nein, von Verhaftung kann keine Rede sein.«
    »Was aber dann tun?«
    »Wir steigen in Canterbury aus.«
    »Und dann?«
    »Nun, dann müssen wir eben eine Querfahrt über Land nach Newhaven machen und von dort nach Dieppe übersetzen. Moriarty wird dann wiederum genau so handeln, wie ich an seiner Stelle gehandelt haben würde. Er wird nach Paris weiterfahren, dort unser Gepäck abfangen und zwei Tage an der Abgabestelle auf uns warten. Mittlerweile leisten wir uns jeder einen neuen Reisesack, lassen die Geschäfte in den Gegenden, durch die wir kommen, auch etwas verdienen und fahren in aller Gemütlichkeit über Luxemburg und Basel in die Schweiz.«
    Ich bin des Reisens zu sehr gewohnt, als dass ich mir aus dem Verlust meines Gepäckes sonderlich viel machen sollte, dagegen verdross mich, offen gestanden, der Gedanke nicht wenig, mich durch allerlei Kreuz- und Querfahrten vor einem Menschen verstecken zu müssen, der eine Unzahl der schwärzesten Schurkereien auf dem Kerbholz hatte.
    Allein offenbar beurteilte Holmes die Lage richtiger als ich. Wir stiegen daher in Canterbury aus – lediglich um zu entdecken, dass der nächste Zug nach Newhaven erst in einer Stunde abgehe.
    Noch schaute ich recht betrübt meinem rasch entschwindenden Gepäck nach, als mich Holmes anstieß und auf die Bahnlinie deutete.
    »Da ist er schon, sehen Sie«, sagte er.
    Ganz in weiter Ferne am Waldrand stieg ein Rauchstreifen empor. Nach einer Minute konnte man eine Maschine und einen Wagen unterscheiden, die mit Windeseile auf der offenen Kurve gegen den Bahnhof herjagten. Wir hatten kaum Zeit, uns hinter einen Haufen von Gepäckstücken zu stellen, als der Zug mit Donnergetöse an uns vorübersauste und uns eine ganze Wolke heißer Luft ins Gesicht blies.
    »Da fährt er nun davon«, sagte Holmes, während wir dem Wagen nachblickten, wie er auf den Schienen hin und her schwankte. »Auch unseres Feindes Scharfsinn hat seine Grenzen, wie Sie sehen. Das wäre erst ein wahres Meisterstück von ihm gewesen, wenn er meine Gedanken völlig erraten und genau danach gehandelt hätte.«
    »Und hätte er uns eingeholt, was würde er getan haben?«
    »Einen Mordanfall auf mich würde er gemacht haben, daran ist nicht der mindeste Zweifel. Allein dazu gehören zwei, wie man zu sagen pflegt. Die Frage ist jetzt, sollen wir hier vor der Zeit etwas zu uns nehmen, oder zusehen, ob wir es noch aushalten, bis wir in Newhaven etwas zu essen bekommen?«
    Wir fuhren abends noch bis Brüssel, wo wir zwei Tage verbrachten, und am dritten Tag bis Straßburg. Am Montag früh hatte Holmes an die Londoner Polizeibehörde telegrafiert, und abends fanden wir die Antwort im Hotel vor. Kaum hatte Holmes die Depesche aufgerissen, schleuderte er sie mit einem bitteren Fluch in den Kamin.
    »Ich hätte mir’s denken können!«, brummte er. »Er ist richtig durchgekommen!«
    »Moriarty?«
    »Die ganze Bande haben sie dingfest gemacht, nur ihn nicht. Er hat ihnen eine Nase gedreht. Natürlich, da ich fort war, wo wäre jemand gewesen, um es mit ihm aufzunehmen? Aber ich hatte doch wirklich gedacht, ich habe ihnen alle Trümpfe in die Hände gegeben. Ich glaube, Sie tun jetzt am besten, wieder heimzureisen, Watson.«
    »Warum denn?«
    »Weil Ihnen meine Gesellschaft von nun an gefährlich werden kann. Der Mann ist um seine Existenz gebracht. Er ist verloren, sobald er sich wieder in London blicken lässt. Beurteile ich ihn richtig, wird er seine ganze Kraft daran setzen, um dafür Rache an mir zu nehmen. Dahin hat er sich bei unserem kurzen Gespräch geäußert, und ich bin überzeugt, es war ihm Ernst damit. Ich würde Ihnen wirklich raten, wieder an Ihren Beruf zu gehen.«
    Dieser Rat war selbstverständlich nicht eben dazu angetan, bei einem alten Freund und treuen Begleiter wie mir geneigtes Gehör zu finden. Eine halbe Stunde lang erörterten wir die Frage während unseres Mittagsmahles in Straßburg, allein noch am selben Abend befanden wir uns bereits wieder auf der Weiterfahrt nach Genf.
    Wir machten nun zunächst eine siebentägige herrliche Wanderung das Rhonetal aufwärts,

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