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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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aus der Gegend, der mit einem Brief in der Hand dahergerannt kam. Dieser trug den Stempel des Gasthofes, den wir soeben verlassen hatten, und war vom Wirt an mich gerichtet. Es schien wenige Minuten nach unserem Weggang eine Engländerin im letzten Stadium der Schwindsucht dort eingetroffen zu sein. Dieselbe hatte den Winter in Davos zugebracht und war nun, auf dem Weg nach Luzern, wo sie mit Bekannten zusammentreffen wollte, plötzlich von einem Blutsturz befallen worden. Sie habe zwar aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch wenige Stunden zu leben, aber es würde ihr doch ein großer Trost sein, wenn sie einen englischen Arzt bei sich sehen könnte, ich möchte doch zurückkommen usw. In einer Nachschrift versicherte mir der gute Mann noch besonders, wie er die Erfüllung seines Wunsches als eine sehr große persönliche Gefälligkeit ihm gegenüber ansehen würde, denn die Fremde wolle durchaus keinen Schweizer Arzt, und er sehe sich infolgedessen in eine recht verantwortungsvolle Lage versetzt.
    Dieses Ansuchen ließ sich nicht abweisen; ich konnte doch einer Landsmännin, die in einem fremden Land im Sterben lag, ihre Bitte nicht abschlagen, doch machte ich mir auch wieder darüber Gedanken, dass ich Holmes allein lassen sollte. Schließlich einigten wir uns doch dahin, dass er den Burschen als Führer bei sich behalten sollte, während ich nach Meiringen zurückkehrte. Holmes wollte, so sagte er, noch einige Zeit an dem Wasserfall verweilen und dann langsam über den Berg hinüber nach Rosenlaui wandern, wo ich ihn am Abend wieder treffen sollte. Im Weggehen sah ich noch, wie Holmes an die Felswand gelehnt mit gekreuzten Armen dastand und in den Wasserfall hinabschaute. Es war nach des Schicksals Willen das letzte Mal, dass ich ihn sah. Beinahe unten im Tal angekommen, wandte ich mich noch einmal zurück. Den Fall konnte ich von dieser Stelle aus nicht erblicken, wohl aber den Pfad, der sich über den Bergrücken zu demselben hinauf windet. Auf diesem Pfad sah ich, wie mir erst wieder einfällt, einen Mann rasch emporschreiten. Seine schwarze Gestalt hob sich deutlich von dem Grün hinter ihm ab. Seine Erscheinung ebenso wie sein eiliger Schritt waren mir aufgefallen, allein bei der Hast, mit der ich meinem Ziel zustrebte, entschwanden mir diese Umstände aus der Erinnerung.
    Ich mag etwas über eine Stunde bis Meiringen gebraucht haben. Der alte Steiler stand unter dem Torbogen seines Hauses.
    »Es geht ihr hoffentlich nicht schlechter«, rief ich ihm, noch in eiligem Lauf, entgegen. Ein Ausdruck des Erstaunens überflog seine Züge, und schon beim ersten Zucken seiner Augenbrauen fiel es mir zentnerschwer aufs Herz.
    »Ist das nicht von Ihrer Hand?«, fragte ich ihn, indem ich den Brief aus der Tasche zog. »Liegt keine Engländerin krank hier im Haus?«
    »Davon weiß ich nichts!«, rief er aus. »Auf dem Brief ist freilich der Hotelstempel! Ha! Das muss der große Engländer geschrieben haben, der nach Ihrem Weggang eintraf. Er sagte ...«
    Doch ich wartete die weiteren Enthüllungen des Alten nicht ab. Bebend vor Angst rannte ich bereits wieder die Straße hinab und weiter auf dem Weg, den ich soeben erst zurückgelegt hatte. Herunter hatte ich eine Stunde gebraucht; so sehr ich mich anstrengte, es dauerte zwei gute Stunden, bis ich wieder an dem Wasserfall eintraf.
    Da lehnte Holmes’ Alpenstock noch an demselben Felsen, wo ich ihn verlassen hatte. Aber von ihm selbst nirgends eine Spur. Mein Rufen blieb vergeblich; nur von den Felswänden ringsum tönte mir in hundertfältigem Widerhall der Klang meiner eigenen Stimme zurück.
    Beim Anblick des Alpenstockes überlief es mich eiskalt. Er war also nicht nach Rosenlaui gegangen. Er war auf dem drei Fuß breiten Pfad geblieben, links die himmelhohe Felswand, rechts den gähnenden Abgrund neben sich, bis sein Feind ihn eingeholt hatte. Der junge Schweizer war gleichfalls verschwunden. Dieser stand vermutlich in Moriartys Sold und hatte die beiden miteinander allein gelassen. Und was war dann geschehen? Wer sollte uns das sagen? Einige Augenblicke hielt ich an, denn ich war vor Schreck völlig betäubt. Dann kam mir allmählich die Erinnerung wieder an die Methode, nach der Holmes in solchen Fällen zu verfahren pflegte, und mit Hilfe derselben wollte ich nun den Versuch machen, mir über den erschütternden Vorfall Klarheit zu verschaffen. Es war – ach! – nur zu leicht. Holmes’ Gebirgsstock lehnte noch an derselben Stelle, wo wir auf dem schmalen Pfad

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