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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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durchzogen, sodass wir die Fährte, obgleich wir sie häufig verloren, doch immer wiederfanden.
    »Sehen Sie«, sagte Holmes, »dass der Mann hier zweifellos sein Tempo beschleunigt hat? Das steht sicher fest. Betrachte Sie mal diesen Eindruck, wo man beide Räder unterscheiden kann. Das eine hat genauso tief eingeschnitten wie das andere. Das ist nur dann der Fall, wenn jemand sich stark auf die Lenkstange beugt, wie es bei rascher Fahrt geschieht. Bei Gott! Er muss gestürzt sein.«
    Wir sahen eine breite, unregelmäßige Fährte, die ein paar Meter lang die Spur verdeckte, einige Fußstapfen, und dann tauchte die alte Radfährte wieder auf.
    »Er scheint ausgerutscht zu sein«, sagte ich.
    Holmes hielt mir einen abgebrochenen Zweig blühenden Stechginsters hin. Zu meinem Schrecken bemerkte ich, dass die gelben Blüten rote Blutflecken zeigten. Auch auf dem Weg und an dem Heidekraut waren schwarze Flecken von geronnenem Blut.
    »Schlimm!«, rief Holmes. »Schlimm! Bleiben Sie stehen, Watson! Keinen unbedachten Schritt! Was muss ich daraus entnehmen? Er wurde verwundet und fiel zu Boden, stand wieder auf, sprang wieder aufs Rad und fuhr weiter. Aber von anderen Personen sind keine Spuren da, nur von einigem Vieh hier neben dem Pfad. Er wird doch nicht etwa von einem Bullen aufgespießt worden sein? Nein, das ist nicht möglich! Aber das Fehlen von menschlichen Fußspuren kann ich mir nicht erklären. Wir müssen weiter, Watson. Da wir zwei Fährten haben, können wir nicht mehr fehlgehen.«
    Unsere Suche dauerte nicht lange. Die Radspur zeigte allmählich sehr eigentümliche Biegungen und Krümmungen. Plötzlich, als ich nach vorne sah, fiel mein Auge auf einen glänzenden Gegenstand in den dicken Ginsterbüschen. Es war ein Fahrrad, das eine Pedal war verbogen, und vorne war die ganze Maschine schrecklich mit Blut besudelt. Zur Seite des Rades lag der unglückliche Radler. Er war ein großer Mann mit einem Vollbart und einer Brille, deren eines Glas herausgeschlagen war. Die Todesursache war ein furchtbarer Schlag auf den Kopf gewesen, wodurch die Schädeldecke teilweise zertrümmert war. Dass er sich mit einer solchen Wunde noch hatte fortbewegen können, sprach für seine Zähigkeit und Manneskraft. Er hatte Schuhe an, aber keine Strümpfe, und unter dem offenen Rock guckte das Nachthemd hervor. Es war ohne Zweifel der deutsche Lehrer. Holmes drehte die Leiche behutsam herum und untersuchte sie aufmerksam. Dann setzte er sich daneben nieder und dachte eine Zeit lang angestrengt nach. Ich konnte aber an den Falten seiner Stirn erkennen, dass diese fürchterliche Entdeckung seiner Meinung nach unsere Nachforschung nicht besonders förderte.
    »Es ist wahrhaftig schwer zu sagen, was man nun tun soll, Watson«, sagte er endlich. »Ich selbst neige dazu, unsere Untersuchung fortzusetzen, denn wir haben schon so viel Zeit verloren, dass wir jede Stunde ausnützen müssen. Andererseits haben wir die Pflicht, die Polizei von unserem Fund in Kenntnis zu setzen und dafür zu sorgen, dass man sich der Leiche dieses unglücklichen Mannes annimmt.«
    »Diese Nachricht könnte ich ja übermitteln.«
    »Aber ich brauche Ihre Gesellschaft und Ihre Hilfe. Warten Sie mal. Dort drüben sticht jemand Torf. Holen Sie ihn her, er kann dann die Polizei hierher führen.«
    Ich brachte den Bauern herüber, und Holmes händigte ihm eine Notiz an Direktor Huxtable ein.
    »Nun, Watson«, fuhr er dann fort, »wir haben heute Morgen zwei Spuren aufgefunden; eine von einer Palmer- und eine von einer Dunlop-Pneumatik. Die erste Fährte ist für uns erledigt, und, ehe wir die zweite weiter verfolgen, wollen wir uns erst einmal richtig klarzumachen suchen, was wir wirklich wissen, und das Wesentliche vom Nebensächlichen und Zufälligen trennen.«
    »In erster Linie muss ich Ihnen sagen, dass der Junge ganz sicher freiwillig gegangen ist. Er ist durchs Fenster entflohen, entweder allein oder in Begleitung einer zweiten Person. Daran ist nicht zu zweifeln.«
    Ich stimmte ihm bei.
    »Gut, nun wollen wir uns zu dem unglücklichen Lehrer und seinem Schicksal wenden. Der Knabe war vollständig angekleidet, als er floh. Er hat also vorher gewusst, was er wollte. Der Lehrer dagegen ist ohne Strümpfe fortgeeilt, hat also keine Zeit gehabt und kurz entschlossen gehandelt.«
    »Zweifellos.«
    »Warum ist er fortgegangen? Weil er vom Schlafzimmerfenster aus den Schüler hat fliehen sehen, weil er ihn einholen und zurückbringen wollte. Er nahm sein Rad,

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