Sherlock Holmes - gesammelte Werke
zusammen.
»Was, Sie sind ihm auf der Spur?«
»Er ist in Liverpool gesehen worden. Man hofft, ihn jede Stunde wiederzubekommen.«
Da veränderte sich das Gesicht des Wirtes wieder und er wurde rasch vergnügt.
»Ich hab ebenso wenig Grund, dem Herzog wohlgesinnt zu sein, wie die meisten anderen Leute«, sagte er. »Ich war früher sein Leibkutscher, aber er hat mich furchtbar schlecht behandelt. Auf die Verdächtigung eines verlogenen Getreidehändlers hin hat er mich gleich ’nausgeworfen. Aber ich freue mich doch, dass der junge Lord in Liverpool gesehen worden ist, und will Ihnen behilflich sein, diese Botschaft zu übermitteln.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Holmes. »Wir wollen aber erst etwas essen. Dann können Sie das Rad herbringen.«
»Ich hab kein Rad.«
Holmes zeigte ihm das Goldstück.
»Mann, ich sage Ihnen doch, dass ich keins hab. Ich will Ihnen aber ein Paar Pferde geben.«
»Schön«, antwortete Holmes. »Wir wollen die Sache nach dem Essen abmachen.«
Als wir allein in der Küche waren, bemerkte ich, wie erstaunlich schnell meines Freundes Fußverstauchung geheilt war. Es war im Dunkelwerden, und wir hatten seit dem frühen Morgen nichts gegessen; brauchten aber trotzdem ziemlich viel Zeit, ehe wir mit unserem Mahl fertig waren. Holmes war in Gedanken versunken und ging ein paar Mal ans Fenster und sah sich um. Man blickte in einen schmutzigen Hof. In der gegenüberliegenden Ecke befand sich eine Schmiede, worin ein Geselle an der Arbeit war. Auf der anderen Seite befanden sich die Ställe. Holmes hatte sich nach seinen Exkursionen wieder auf seinen Platz gesetzt, aber plötzlich sprang er auf und rief mit lauter Stimme:
»Wahrhaftig, Watson, ich glaub, ich hab’s raus! Ja, ja, so ist’s. Erinnern Sie sich noch, Watson, dass Sie heute Spuren von Kühen gesehen haben?«
»Jawohl, mehrere.«
»Wo?«
»Nun, allenthalben. Im Sumpf und auf dem Pfad und auch in der Nähe der Stelle, wo der arme Heidegger den Tod gefunden hat.«
»Allerdings. Nun sagen Sie mir mal, Watson, wie viel Kühe haben Sie eigentlich auf dem Moor gesehen?«
»Nicht eine einzige, soweit ich mich entsinnen kann.«
»Sonderbar, Watson, dass man überall Rinderspuren sieht und keine Kühe, sehr sonderbar, Watson, wie?«
»O ja, das ist freilich merkwürdig.«
»Nun, denken Sie mal nach, mein Lieber! Können Sie sich diese Spuren noch richtig vorstellen?«
»Jawohl.«
»Können Sie sich noch erinnern, dass diese Fährten zuweilen dieses Bild zeigten« – er legte eine Anzahl Brotkrumen in folgender Weise zusammen –– »und manchmal so aussahen –und verschiedentlich wieder so –– können Sie sich noch darauf besinnen?«
»Nein, so genau habe ich sie nicht beobachtet.«
»Aber ich. Ich könnte darauf schwören. Wir können jedoch zurückgehen und nachsehen, wenn Sie wollen. Wie verblendet bin ich doch gewesen, dass ich daraus keine Schlüsse gezogen habe!«
»Ja, was wollen Sie denn daraus folgern?«
»Weiter nichts, als dass es eine komische Kuh gewesen sein muss, die Schritt geht, Trab läuft und Galopp rennt. Bei Gott, Watson, das war kein dummer Bauer, der eine solche Täuschung ausgedacht hat! Die Luft scheint rein zu sein, wenn wir von dem Burschen in der Schmiede absehen. Wir wollen uns hinausschleichen und sehen, was wir entdecken können.«
In dem baufälligen Stall standen zwei struppige Pferde. Holmes hob bei dem einen den Hinterhuf auf und musste laut lachen.
»Alte Eisen, aber frisch aufgelegt – alte Eisen und neue Nägel. Dieser Fall ist einzig. Lassen Sie uns hinübergehen in die Schmiede.«
Der Geselle arbeitete weiter, ohne uns zu beachten. Ich sah, wie Holmes mit seinen Blicken auf dem Boden unter den umherliegenden Eisen- und Holzstücken eifrig suchte. Plötzlich hörten wir einen schweren Schritt, und hinter uns stand der Wirt. Er schaute uns wütend an, in seinem finsteren Gesicht zuckte es vor Zorn, und in der Hand hatte er ein kurzes Stück Eisen mit einem schweren Knopf. Er kam in einer Weise auf uns zu, dass ich recht froh war, meinen Revolver in der Tasche zu haben.
»Ihr verfluchten Spione!«, schrie er uns an. »Was macht ihr hier?«
»Ei, Mr Hayes«, antwortete Holmes kaltblütig, »man möchte fast glauben, Sie fürchteten, dass wir etwas finden könnten.«
Mit großer Anstrengung bezwang der Mann seine Wut und zeigte ein erzwungenes Lachen. Er sah dabei jedoch noch gefährlicher aus als vorher.
»In meiner Schmiede werden Sie nichts Verdächtiges finden«, sagte
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