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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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hervorragendsten Fähigkeiten meines Freundes Sherlock Holmes wieder einmal in glänzender Weise zeigten.
    Wir bewohnten damals ein paar möblierte Zimmer in der Nähe einer Bibliothek, wo Holmes eifrig alte englische Schriften studierte und ein dermaßen überraschendes Resultat hatte, dass ich dieser Sache gewiss später noch einmal ein besonderes Kapitel widmen werde.
    Eines Abends, als wir von einem Spaziergang am Flussufer heimgekehrt waren und rauchend auf unserem Zimmer saßen, klopfte es plötzlich an der Tür, und herein trat ein bekannter, wegen seines wissenschaftlichen Rufs hoch angesehener Professor vom St. Lucas College.
    Er war ein großer, magerer Mann von nervösem, leicht erregbarem Temperament; sein glattrasiertes Gesicht trug alle Spuren einer äußerst regen geistigen Tätigkeit. Ich hatte ihn nie anders als unruhig gesehen, aber diesmal befand er sich doch in einem solch hohen Grad der Erregung, dass entschieden etwas Außergewöhnliches geschehen sein musste.
    Er nahm sich gar nicht die Zeit, uns zu begrüßen, sondern platzte sofort los:
    »Sie müssen mir ein paar Stunden Ihrer kostbaren Zeit opfern, Mr Holmes. In meinem College ist uns etwas sehr Unangenehmes passiert, und ich wüsste, wenn Sie nicht zufällig hier wären, wahrhaftig nicht, was ich anfangen sollte. Sie allein, Mr Holmes, können mir helfen.«
    »Ich bin gerade in diesen Tagen sehr beschäftigt und kann keine Ablenkung brauchen«, erwiderte mein Freund, der sich nicht von seinem Stuhl erhoben hatte. »Ich rate ihnen daher, lieber polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.«
    Holmes hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als ihm der Professor in sichtlicher Erregung entgegnete:
    »Nein, nein, mein lieber Herr; das ist vollständig unmöglich. Sobald man eine Sache der Polizei übergeben hat, kann man sie nicht mehr zurückziehen, und hier liegt gerade ein Fall vor, wo im Interesse der Anstalt in erster Linie jeder Skandal vermieden werden muss. Von Ihnen weiß ich nun, dass Sie verschwiegen sind, und kenne auch Ihre Fähigkeiten. Sie sind der einzige Mann auf Erden, der mir helfen kann. Ich bitte Sie inständig, Mr Holmes, alles zu tun, was in Ihren Kräften steht.«
    Meines Freundes Laune war nie sehr rosig, wenn er für längere Zeit die ihm lieb gewordene Baker Street missen musste. Ohne seine Bücher, seine Chemikalien und seine heimische Unordnung fühlte er sich nicht behaglich. Er zuckte ungnädig die Schultern, aber unser Besucher ließ sich dadurch nicht abhalten, in fließenden Worten und mit lebhaften Gebärden seine Geschichte vorzubringen.
    »Morgen ist der erste Tag der Abgangsprüfung, Mr Holmes. Ich bin einer der Examinatoren. Mein Fach ist Griechisch, und eine der ersten Aufgaben besteht in der Übersetzung eines größeren Abschnitts aus einem griechischen Werk, welchen der Kandidat nicht kennen darf. Diese Stelle lasse ich drucken, um sie unmittelbar vor der Prüfung auszugeben, und es würde natürlich eine ungeheuere Erleichterung für den Prüfling sein, wenn er sich vorbereiten könnte. Deshalb muss dieser Text streng geheim gehalten werden.
    Heute Nachmittag gegen drei Uhr erhielt ich die Abzüge aus der Druckerei. Es ist ein halbes Kapitel aus dem Thukydides. Ich musste es sehr sorgfältig durchlesen, weil der Text selbstverständlich durchaus fehlerfrei sein muss. Ich war um halb fünf noch nicht ganz fertig. Da ich aber einem Freund versprochen hatte, bei ihm den Tee einzunehmen, ließ ich die Korrektur auf meinem Schreibtisch liegen und ging fort. Ich mag etwas über eine Stunde ausgeblieben sein.
    Sie wissen ja, Mr Holmes, dass bei uns im College überall Doppeltüren sind – innen eine mit grünem Stoff überzogene und außen eine schwere eichene. Als ich an die äußere Tür kam, war ich starr, einen Schlüssel darin stecken zu sehen. Im ersten Augenblick glaubte ich, ich hätte meinen eigenen abzuziehen vergessen, aber ein Griff in die Tasche belehrte mich, dass dies nicht der Fall war. Der einzige zweite Schlüssel, der meines Wissens existiert, befand sich im Besitz meines Dieners Bannister. Dieser Mann ist seit zehn Jahren bei mir in Stellung und dessen Ehrlichkeit über jeden Zweifel erhaben. Es stellte sich heraus, dass der Schlüssel wirklich ihm gehörte, dass er in meinem Zimmer gewesen war, um mich zu fragen, ob ich Tee haben wollte, und dass er beim Hinausgehen in sträflicher Sorglosigkeit den Schlüssel hatte stecken lassen. Er muss kurz nachdem ich weggegangen war, in meinem Zimmer

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