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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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außergewöhnlich starke Gläser sind. Ein Weib, das Zeit seines Lebens so kurzsichtig gewesen ist, muss sicher die körperlichen Merkmale dieses Fehlers haben, die sich auf der Stirn, den Augenlidern und in der Schulterhaltung ausprägen.«
    »Jawohl«, sagte ich, »ich kann allen Ihren Schlüssen wohl folgen. Ich muss aber eingestehen, dass ich nicht begreife, wie Sie zu dem doppelten Besuch beim Optiker kommen.«
    Holmes nahm den Klemmer wieder in die Hand.
    »Wie Sie bemerken werden«, erläuterte er, »sind die Bügel mit dünnen Korkstreifchen gefüttert, um den Druck auf die Nase abzuschwächen. Das eine ist missfarbig und etwas verfettet, dagegen ist das andere noch neu. Offenbar ist eins abgegangen und ersetzt worden. Soviel ich es beurteilen kann, ist auch das ältere erst vor wenigen Monaten aufgelegt worden. Sie passen genau zueinander, woraus ich entnehme, dass die Dame wieder in demselben Geschäft die Reparatur hat machen lassen.«
    »Bei Gott, es ist wunderbar!«, rief Hopkins in höchster Begeisterung. »Wenn ich bedenke, dass ich all diese Beweise in der Hand gehabt habe, ohne eine Ahnung davon zu haben! Immerhin hatte ich die Absicht, bei den Londoner Optikern die Runde zu machen.«
    »Natürlich würden Sie das getan haben. Übrigens, haben Sie uns noch etwas über den Fall zu erzählen?«
    »Weiter nichts, Mr Holmes. Ich glaube, Sie wissen jetzt so viel wie ich – wahrscheinlich noch mehr. Wir haben noch nachgeforscht, ob irgendeine fremde Person auf der Landstraße oder am Bahnhof gesehen worden ist. Wir haben jedoch von keiner gehört. Was mich bekümmert, ist eben der vollkommene Mangel irgendeiner ersichtlichen Veranlassung zu dem Verbrechen. Auch keinen Schimmer eines Motivs kann man angeben.«
    »In dieser Beziehung kann ich Ihnen leider auch nicht helfen. Aber ich vermute, dass wir morgen mit Ihnen hinausfahren sollen?«
    »Wenn meine Bitte nicht zu unbescheiden ist, Mr Holmes. Von Charing Cross geht um sechs Uhr früh ein Zug nach Chatham, mit dem wir zwischen acht und neun in Yoxley Place eintreffen würden.«
    »Dann wollen wir diesen benutzen. Ihr Fall hat gewiss einige sehr interessante Punkte, und ich werde mit Freuden einen tieferen Einblick in die Angelegenheit tun. Nun, es ist gleich eins, und wir können ein paar Stunden Schlaf vertragen. Sie können sich’s auf dem Sofa vor dem Kamin bequem machen. Ich werde Ihnen auf meinem Spirituskocher vor dem Aufbruch eine Tasse Kaffee machen.«
    Der Sturm hatte sich am nächsten Morgen gelegt, aber es war sehr rau, als wir unsere Tour antraten. Über den düsteren Morästen der Themse ging die kalte Wintersonne auf, und wir sahen wieder die langen eintönigen Kanäle, bei deren Anblick ich stets unwillkürlich an unsere Verfolgung des Andamaniers in früheren Zeiten unserer Tätigkeit denken muss. Nach einer beschwerlichen Fahrt stiegen wir auf einer kleinen Station, einige Meilen von Chatham entfernt, aus. Während ein Gefährt besorgt wurde, nahmen wir im Dorfwirtshaus schnell einen Imbiss, sodass wir bei unserer Ankunft in Yoxley Place gleich mit der Untersuchung beginnen konnten. Am Gartentor empfing uns ein Polizist.
    »Nun, Wilson, etwas Neues?«
    »Nein, Herr, nichts.«
    »Keine Nachricht, dass ein Fremder gesehen worden ist?«
    »Nein, Herr. Drunten an der Station wissen sie bestimmt, dass gestern weder ein Fremder angekommen noch abgefahren ist.«
    »Haben Sie in den Wirts- und Logierhäusern Erkundigungen einziehen lassen?«
    »Jawohl. Da ist auch niemand, der in Betracht kommen könnte.«
    »Gut. – Das ist der Gartenweg, von dem ich gesprochen habe, Mr Holmes. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass gestern keine Fährte darauf war.«
    »An welcher Seite war die Spur im Gras?«
    »An dieser, auf diesem schmalen Rasenstreifen zwischen dem Pfad und dem Blumenbeet. Ich kann die Spuren jetzt nicht sehen, aber gestern waren sie ganz deutlich.«
    »Ja, ja; da ist jemand hergegangen«, sagte Holmes, als er sich niederbückte. »Unsere Dame muss sehr vorsichtig marschiert sein, nicht wahr? Weil sie sonst auf der einen Seite auf den Pfad und auf der anderen auf das nasse Beet getreten wäre und deutliche Abdrücke hinterlassen hätte.«
    »Allerdings; sie hat mit kalter Überlegung gehandelt.«
    Ich bemerkte einen vielsagenden Gesichtsausdruck bei meinem Freund.
    »Sie meinen, dass sie auf diesem Weg zurückgekommen sein muss?«
    »Gewiss; es gibt keinen anderen.«
    »Auf diesem schmalen Rasenstreifchen?«
    »Allerdings, Mr Holmes.«
    »Hm!

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