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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Was war es für ein Schreiben, und warum soll sein Verschwinden von so unermesslichen Folgen begleitet sein?«
    Die beiden Staatsmänner tauschten rasch einen Blick miteinander aus und der Minister zog die finstere Stirn in schwere Falten.
    »Mr Holmes, der Umschlag ist lang und schmal und von hellblauer Farbe. Er trägt ein rotes Siegel mit einem lauernden Löwen. Die Adresse ist in großen, markigen Zügen geschrieben und ...«
    »Ich fürchte«, warf Holmes hier ein, »so interessant und auch wesentlich diese Angaben sind, dass ich doch mit meinen Fragen der Sache auf den Grund gehen muss. Was stand in dem Brief?«
    »Das ist ein Staatsgeheimnis von höchster Bedeutung, welches ich Ihnen nicht sagen kann, und ich sehe auch nicht ein, dass es notwendig ist. Wenn Sie mithilfe der großen Fähigkeiten, die man Ihnen nachsagt, einen Umschlag, wie ich ihn Ihnen eben beschrieben habe, mit seinem Inhalt auffinden, haben Sie sich um Ihr Vaterland sehr verdient gemacht und werden einen Lohn erhalten, so hoch wir ihn nur bemessen können.«
    Sherlock Holmes stand lächelnd vom Stuhl auf.
    »Sie sind zwei der vielbeschäftigsten Männer im ganzen Land«, sagte er, »und ich habe in meiner bescheidenen Weise auch viel zu tun. Ich bedauere außerordentlich, Ihnen in dieser Angelegenheit nicht weiter dienen zu können, und jede Fortsetzung dieser Verhandlung würde also bloßer Zeitverlust sein.«
    Der Premier sprang in die Höhe und warf meinem Freund jene scharfen grimmen Blicke aus den tiefliegenden Augen zu, vor denen ein ganzes Kabinett erzitterte. »Ich bin nicht gewöhnt, mein Herr ...«, begann er, aber er mäßigte seinen Zorn und setzte sich wieder nieder. Eine Minute herrschte vollkommenes Schweigen, dann zuckte der alte Politiker die Achseln.
    »Wir müssen Ihre Bedingungen annehmen, Mr Holmes, und es ist ja auch unvernünftig von uns, zu erwarten, dass Sie für uns tätig sein sollen, ohne dass wir Ihnen unser volles Vertrauen schenken.«
    »Ich stimme mit Ihrer Ansicht überein«, fügte der Sekretär hinzu.
    »Dann will ich’s Ihnen, indem ich auf Ihre und Ihres Kollegen Dr. Watson Ehre rechne, also sagen. Ich appelliere auch noch an Ihre Vaterlandsliebe, denn ich vermag mir kein größeres Unheil für das Land vorzustellen, als wenn diese Sache an die Öffentlichkeit käme.«
    »Sie dürfen uns ruhig vertrauen.«
    »Der Brief stammt von einem fremden Herrscher, der durch einige neuerliche koloniale Verwicklungen aus der Fassung gebracht worden ist. Das Schreiben ist in großer Eile abgefasst und ein rein persönlicher Akt des Fürsten. Nachforschungen haben ergeben, dass die Minister keine Ahnung davon haben. Gleichzeitig ist es so unglücklich gehalten, und gewisse Sätze darin sind so verletzend, dass ihre Veröffentlichung die Bewohner dieses Landes in eine große Erregung versetzen und eine derartige Gärung zur Folge haben würde, dass ich mit gutem Grund glauben muss, jener Staat würde sich acht Tage nach dem Bekanntwerden dieses Schreibens im Kriegszustand befinden.«
    Holmes schrieb auf einen Zettel einen Namen und reichte ihn dem Premier.
    »Jawohl. Dieser war’s. Und dessen Brief – der Brief, der eine Ausgabe von tausend Millionen und das Leben von hunderttausend Mann in sich schließt – ist auf eine so rätselhafte Art verloren gegangen.«
    »Haben Sie den Absender davon unterrichtet?«
    »Ja, wir haben ihm ein geheimes Telegramm geschickt.«
    »Vielleicht wünscht er die Veröffentlichung des Briefes?«
    »Nein, Mr Holmes; wir haben triftige Gründe, anzunehmen, dass er bereits einsieht, wie indiskret und voreilig er gehandelt hat. Für ihn und sein Volk würde es ein schwererer Schlag sein, wenn die Sache herauskäme, als für uns.«
    »Wenn sich’s so verhält, wer hat dann an der Bekanntgabe überhaupt ein Interesse? Warum sollte ihn denn jemand zu entwenden oder zu veröffentlichen suchen?«
    »Mit dieser Frage bringen Sie mich auf das Gebiet der höheren internationalen Politik, Mr Holmes. Wenn Sie die allgemeine Lage Europas betrachten, werden Sie jedoch den Beweggrund ohne Schwierigkeiten einsehen. Ganz Europa ist ein einziges Kriegslager. Zwei große Bünde halten sich in militärischer Beziehung das Gleichgewicht. Großbritannien bildet das Zünglein der Waage. Wenn nun England zum Krieg mit dem einen Bund getrieben würde, würde sich der andere das Übergewicht sichern, ob er sich einmischte oder nicht. Folgen Sie meinen Ausführungen?«
    »Sehr wohl. Dann haben eben die Feinde

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