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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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geringfügiger Umstand zwar, der aber doch in diesem Fall, wo sich die beiden Ereignisse in ein paar Stunden abgespielt haben, sich als wesentlich erweisen kann. Na nun! Was bedeutet das?«
    Mrs Hudson hatte die Visitenkarte einer Dame gebracht. Holmes warf einen Blick darauf, zog die Augenbrauen in die Höhe und reichte sie mir herüber.
    »Bitten Sie Mrs Hilda Trelawney Hope, gütigst näherzutreten«, sagte Holmes.
    Im nächsten Augenblick erschien in unserem bescheidenen Arbeitszimmer, das heute früh schon so hohen Besuch gehabt hatte, die schönste Frau in London. Ich hatte schon oft von der Schönheit der jüngsten Tochter des Herzogs von Belminster gehört, aber keine Beschreibung und keine Fotografie war auch nur annähernd imstande gewesen, die feinen, zarten Reize und die prächtige Farbe dieses vornehmen Gesichtes wiederzugeben. Und trotzdem fiel an diesem Herbstmorgen dem aufmerksamen Beobachter nicht in erster Linie die Schönheit dieses Gesichtes auf. Die Wangen waren wohl lieblich, aber bleich vor Erregung; die Augen glänzten zwar hell, aber es war der Glanz des Fiebers; der reizende Mund war wohl geschlossen und ruhig, aber man merkte die Selbstbeherrschung, die es kostete. Der Schrecken auf ihren Zügen – nicht die Schönheit – sprang einem in die Augen, als unsere Besucherin einen Moment in der offenen Tür stand.
    »Ist mein Gatte hier gewesen, Mr Holmes?«
    »Jawohl, gnädige Frau, er ist hier gewesen.«
    »Ich bitte Sie, Mr Holmes, sagen Sie ihm nicht, dass ich auch hier war.« Holmes verbeugte sich kühl und lud die Dame ein, Platz zu nehmen.
    »Gnädige Frau bringen mich in eine sehr peinliche Lage. Ich bitte Sie, sich zu setzen und mir zu sagen, was Sie wünschen; freilich fürchte ich, Ihnen irgendein bindendes Versprechen nicht geben zu können.«
    Sie schwebte durch das Zimmer und setzte sich dann mit dem Rücken gegen das Fenster. Sie war eine königliche Gestalt – hoch, anmutig und echt weiblich.
    »Mr Holmes«, sagte sie, während sie die weißbehandschuhten Hände öffnete und schloss, »ich will offen zu Ihnen reden und hoffe, dass Sie dann auch frei zu mir sprechen. Zwischen meinem Gemahl und mir besteht volles Vertrauen in allen Dingen, außer einem. Dieses ist die Politik. Darüber äußert er mir gegenüber kein Wort. Nun hat sich vergangene Nacht ein höchst bedauernswerter Vorfall zugetragen. Wie er mir gesagt hat, ist ein Schriftstück aus unserem Haus verschwunden. Da es sich jedoch um eine politische Sache handelt, weigert er sich, mich ganz ins Vertrauen zu ziehen. Trotzdem ist es wesentlich – ich wiederhole es, wesentlich – dass ich voll und ganz Bescheid weiß. Sie sind nun, außer diesen Politikern, der einzige Mann, der den Tatbestand genau kennt. Ich bitte Sie daher, Mr Holmes, mir wahrheitsgetreu mitzuteilen, was passiert ist und wozu es führen wird. Verschweigen Sie mir nichts, Mr Holmes. Nehmen Sie keinerlei Rücksichten auf das Interesse Ihrer Klienten, denn ich versichere Ihnen, dass, wenn er’s nur einsehen wollte, seinen Interessen am besten gedient sein würde, wenn er mir volles Vertrauen schenkte. Was enthielt dieses gestohlene Papier?«
    »Gnädige Frau, ich kann Ihre Bitte wirklich nicht erfüllen.«
    Sie seufzte und bedeckte das Gesicht mit ihren Händen.
    »Sie müssen sich selbst sagen, dass ich nicht anders kann, gnädige Frau. Wenn Ihr Gemahl es nicht für gut hält, Sie in die Sache einzuweihen, wie soll ich’s dann tun können, dem die Angelegenheit nur als Berufsgeheimnis unterbreitet ist? Es ist nicht vornehm, mich danach zu fragen. An ihn müssen Sie sich wenden.«
    »Das habe ich getan. Ich komme zu Ihnen als letzte Zufluchtsstätte. Aber auch ohne mir etwas Bestimmtes zu sagen, könnten Sie mir einen großen Dienst erweisen, wenn Sie mich über einen Punkt aufklären wollten.«
    »Der ist, gnädige Frau?«
    »Ist es wahrscheinlich, dass meines Gatten politische Laufbahn durch diesen Vorfall beeinträchtigt wird?«
    »Ja, gnädige Frau, wenn die Sache nicht wieder in Ordnung gebracht wird, wird sie wohl sicher einen sehr ungünstigen Einfluss darauf ausüben.«
    »Ah!« Sie atmete auf, wie jemand, dessen Zweifel gelöst sind.
    »Noch eine Frage, Mr Holmes. Aus einer Äußerung, die mein Mann im ersten Schrecken über dieses Unglück fallen ließ, habe ich entnommen, dass der Verlust dieses Schriftstücks furchtbare Folgen für die Allgemeinheit haben könnte.«
    »Wenn er das gesagt hat, kann ich es sicherlich nicht in Abrede

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