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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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schärfste angespannt: wir hörten auf dem Gang das leise Geräusch eines Schrittes!
    Ganz leise, leise hörten wir den Mann entlangschleichen, bis das Geräusch in der Ferne erstarb. Dann öffnete der Baronet leise die Tür, und wir machten uns zur Verfolgung auf. Unser Mann war bereits bei der Galerie um die Ecke gebogen, und der Korridor lag in tiefer Finsternis da. Leise schlichen wir uns den Gang entlang zum anderen Flügel. Wir erhaschten gerade noch den Anblick der langen, schwarzbärtigen Gestalt, die vornübergebeugt und auf den Zehenspitzen gehend den Korridor entlangschlich. Dann trat er in dieselbe Tür ein wie das vorige Mal, und in dem Kerzenlicht zeichnete sich der viereckige Türrahmen mit gelbem Schein auf dem schwarzen Korridor ab. Wir tasteten uns vorsichtig nach jener Stelle hin; jedes Brett untersuchten wir erst mit dem Fuß, ehe wir wagten, es mit unserem ganzen Gewicht zu belasten. Aus Vorsicht hatten wir auch unsere Stiefel vorher ausgezogen, aber trotzdem ächzten und knarrten die alten Bretter unter unseren Tritten. Zuweilen dachten wir, es wäre unmöglich, dass er unsere Annäherung nicht hörte. Aber der Mann ist zum Glück wirklich recht schwerhörig, und zudem waren seine Gedanken völlig von seinem Tun in Anspruch genommen. Nachdem wir endlich die Tür erreicht hatten und durch die Öffnung in das Zimmer spähten, sahen wir ihn mit der Kerze in der Hand vor dem Fenster hocken, das blasse Gesicht mit einem Ausdruck gespannter Aufmerksamkeit gegen eine der Scheiben gepresst. Es war genau dieselbe Stellung, in der ich ihn zwei Nächte vorher überrascht hatte.
    Wir hatten uns keinen bestimmten Plan gemacht, aber dem Wesen des Baronets entspricht es, stets den geradesten Weg zu gehen. Er betrat das Zimmer, und sofort sprang Barrymore mit einem scharfen, keuchenden Atemzug von seinem Platz am Fenster auf und stand bleich und zitternd vor uns. Seine dunklen Augen glühten aus der Blässe seines maskengleichen Gesichtes hervor und blickten voll von entsetzter Überraschung auf Sir Henry und mich.
    »Was machen Sie hier, Barrymore?«
    »Nichts, Herr!«
    Seine Aufregung war so groß, dass er kaum sprechen konnte; er zitterte so stark, dass die Kerze, die er hielt, hüpfende Schatten an die Wand warf.
    »Es war wegen des Fensters, Herr! Ich mache nachts die Runde, um nachzusehen, ob sie auch fest geschlossen sind.«
    »Im zweiten Stock?«
    »Jawohl, Herr, ich untersuche alle Fenster!«
    »Hören Sie zu, Barrymore!«, sagte Sir Henry ernst. »Wir sind entschlossen, die Wahrheit aus Ihnen herauszubekommen. Sie sparen sich also Unannehmlichkeiten, wenn Sie sofort die Wahrheit sagen, anstatt noch länger damit zu warten. Also vorwärts! Keine Lügen! Was wollten Sie an diesem Fenster?«
    Der Mann sah uns mit einem hilflosen Ausdruck an und krampfte die Hände zusammen, wie wenn er im höchsten Grad verzweifelt wäre.
    »Ich tat nichts Böses, Herr. Ich hielt bloß ein Licht an das Fenster.«
    »Und warum hielten Sie ein Licht an das Fenster?«
    »Fragen Sie mich nicht danach, Sir Henry – bitte fragen Sie mich nicht! Ich gebe Ihnen mein Wort, Herr, dass es nicht mein Geheimnis ist und dass ich es also nicht sagen kann. Wenn es nur mich selber beträfe, würde ich nicht versuchen, es Ihnen vorzuenthalten.«
    Ein plötzlicher Gedanke durchfuhr mich, und ich nahm die Kerze von dem Fensterbrett, worauf der Mann sie gestellt hatte.
    »Er muss die Kerze als ein Zeichen ans Fenster gehalten haben«, sagte ich. »Wir wollen doch mal sehen, ob nicht irgendeine Antwort darauf gegeben wird.«
    Ich hielt das Licht genau so, wie Barrymore es getan hatte, und spähte in die nächtliche Finsternis hinaus. Nur undeutlich konnte ich die schwarze Masse der Baumwipfel unterscheiden und dahinter die hellere Fläche des Moors, denn der Mond war hinter den Wolken verborgen. Dann auf einmal stieß ich einen triumphierenden Ruf aus, denn ein feines, nadelförmiges Lichtpünktchen durchbrach plötzlich den schwarzen Schleier und glühte, auf demselben Fleck bleibend, in dem dunklen, vom Fenster eingerahmten Viereck.
    »Da ist’s!«, rief ich.
    »Nein, nein, Herr; es ist nichts, wirklich nichts!«, fiel der Diener ein. »Ich versichere Ihnen, Herr ...«
    »Bewegen Sie Ihr Licht vor dem Fenster hin und her, Watson!«, rief der Baronet. »Sehen Sie, das andere bewegt sich ebenfalls! Nun, Sie Schurke, leugnen Sie immer noch, dass es ein Signal ist? Vorwärts, heraus mit der Sprache! Wer ist Ihr Mitverschworener da draußen,

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