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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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ihn einzuholen; ich machte mich daher unverzüglich in der Richtung nach Merripit House auf den Weg.
    So schnell ich laufen konnte, eilte ich die Straße entlang, konnte aber von Sir Henry nichts entdecken, bis ich an die Stelle kam, wo der Fußweg über das Moor sich abzweigt. In der Befürchtung, ich wäre vielleicht überhaupt auf ganz falschem Weg, erstieg ich einen Hügel, von welchem aus ich eine weite Aussicht haben musste. Wirklich sah ich ihn sofort. Er ging ungefähr eine Viertelmeile entfernt auf dem Moorweg, und an seiner Seite befand sich eine Dame, die nur Miss Stapleton sein konnte. Offenbar herrschte bereits ein Einverständnis zwischen ihnen; sie mussten sich auf Verabredung getroffen haben. In ihr Gespräch vertieft, gingen sie langsam auf dem Fußpfad weiter. Oft machte sie rasche, kleine Handbewegungen, wie wenn sie etwas mit besonderem Nachdruck sagte; er hingegen hörte sie mit gespannter Aufmerksamkeit an und schüttelte ein paar Mal in energischer Verneinung den Kopf. Hinter einem Felsblock verborgen, beobachtete ich sie mit größter Aufmerksamkeit; ich war ganz ratlos, was ich weiter tun sollte. Wäre ich ihnen nachgegangen und hätte mich in ihre vertrauliche Unterhaltung eingemischt, wäre das eine beleidigende Taktlosigkeit gewesen; dabei aber schrieb mir meine Pflicht klar und deutlich vor, ihn keinen Augenblick aus dem Gesicht zu verlieren. Einen Freund auszuspionieren, war eine erbärmliche Aufgabe. Ich fand jedoch keinen anderen Ausweg, als ihn von meinem Hügel aus zu beobachten und hinterher ihm dies einzugestehen und dadurch mein Gewissen zu reinigen. Wäre er von einer plötzlichen Gefahr bedroht worden, dann war ich freilich zu weit entfernt, um ihm von Nutzen sein zu können; Sie werden mir aber gewiss zugeben, dass ich in schwieriger Lage, und dass eine andere Handlungsweise für mich nicht möglich war.
    Unser Freund Sir Henry und die Dame waren stehen geblieben und hatten augenscheinlich über ihrem Gespräch die ganze Außenwelt vergessen; plötzlich bemerkte ich, dass ich nicht der einzige Zeuge ihrer Zusammenkunft war. Es flatterte irgendetwas Grünes in der Luft und als ich näher hinsah, bemerkte ich, dass dieses Grüne an einem Stock befestigt war, und dass diesen Stock ein Mann trug, der sich schnell über den Moorgrund bewegte. Es war Stapleton mit seinem Schmetterlingsnetz.
    Er war viel näher bei dem Paar als ich und ging augenscheinlich geraden Weges auf die beiden jungen Leute zu. In diesem Augenblick zog plötzlich Sir Henry Miss Stapleton an sich. Sein Arm hielt sie umschlungen, aber es kam mir vor, als suchte sie sich mit abgewandtem Antlitz von ihm loszumachen. Er beugte sein Gesicht zu dem ihrigen herunter, und sie hob die eine Hand auf, wie wenn sie ihm wehren wollte. Unmittelbar darauf sah ich sie auseinanderfahren und sich schnell umdrehen. Stapleton war der Störenfried. Er sprang in wilden Sätzen auf sie zu, wobei sein Schmetterlingsnetz in lächerlicher Weise hinter ihm in der Luft flatterte. Die Bedeutung des ganzen Vorganges konnte ich mir nicht erklären, aber mir kam es vor, als ob Stapleton Sir Henry heftige Vorwürfe machte. Dieser gab, wie es schien, Erklärungen ab und wurde dann auch ärgerlich, als der andere davon nichts hören wollte. Die Dame stand in stolzem Schweigen dabei.
    Zuletzt drehte Stapleton sich kurz um und winkte mit gebieterischer Gebärde seiner Schwester; diese warf noch einen unentschlossenen Blick auf Sir Henry und entfernte sich dann an der Seite ihres Bruders. An den ärgerlichen Gestikulationen des Naturforschers ließ sich erkennen, dass er auch mit seiner Schwester unzufrieden war. Der Baronet sah ihnen etwa eine Minute lang nach, dann ging er gesenkten Hauptes langsam den Weg zurück, den er gekommen war; offenbar war er in tiefer Niedergeschlagenheit.
    Die Bedeutung des Vorfalls war mir, wie gesagt, unklar, aber ich schämte mich aufs tiefste, ohne Wissen meines Freundes einem nicht für Zeugen bestimmten Auftritt beigewohnt zu haben. Ich eilte daher den Hügel hinunter und traf unten mit dem Baronet zusammen. Sein Gesicht war vor Ärger gerötet und seine Augenbrauen waren in scharfem Nachdenken zusammengezogen, als wüsste er nicht, welchen Entschluss er fassen sollte.
    »Hallo, Watson!«, rief er, als er mich bemerkte. »Wo kommen Sie denn hergeschneit? Sie sind mir doch nicht etwa trotz alledem nachgegangen?«
    Ich gab ihm eine offene Erklärung, dass es mir unmöglich gewesen wäre, zurückzubleiben, dass ich

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