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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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selben Augenblick hatten wir das Glück, dass der Mond die Wolken durchbrach. Wir sprangen eiligst auf den Gipfel des Hügels hinauf, und da sahen wir unseren Mann mit großer Schnelligkeit auf der anderen Seite herunterrennen und die Steine, die ihm im Weg waren, mit der Gewandtheit einer Bergziege überspringen. Ein glücklicher Schuss meines Revolvers hätte ihn vielleicht zum Krüppel machen können, aber ich hatte die Waffe nur zu meiner Verteidigung mitgenommen und nicht, um auf einen unbewaffneten und fliehenden Menschen damit zu schießen.
    Wir waren beide gute Läufer und beide gesund und kräftig, aber wir fanden bald, dass wir keine Aussicht hatten, ihn einzuholen. Lange sahen wir ihn im Mondschein vor uns her rennen, bis er endlich nur noch wie ein kleiner Punkt zwischen den Granitblöcken am Abhang eines entfernten Hügels sich in eiligem Lauf hindurchwand. Wir rannten und rannten, bis uns der Atem völlig ausging, aber der Abstand wurde nur immer größer. Schließlich gaben wir die Verfolgung auf und setzten uns keuchend auf zwei große Steine; von hier aus sahen wir ihn in der Ferne verschwinden.
    Und in diesem Augenblick trat etwas ganz Seltsames und Unerwartetes ein. Wir waren von unseren Steinblöcken aufgestanden, um nach Hause zu gehen, denn die Verfolgung hatten wir als gänzlich hoffnungslos aufgegeben. Zu unserer Rechten stand der Mond niedrig am Himmel, und die zackige Spitze eines Granitfelsens hob sich von dem unteren Rand der silbernen Mondscheibe ab. Und in scharfen Umrissen, schwarz wie eine Ebenholzstatue von dem leuchtenden Hintergrund sich abhebend, sah ich die Gestalt eines Mannes auf der Felsspitze stehen.
    Glauben Sie ja nicht, Holmes, es sei eine Augentäuschung gewesen! Ich versichere Ihnen, ich habe nie in meinem Leben etwas klarer und deutlicher gesehen. Soweit ich es beurteilen konnte, war es die Gestalt eines großen, schlanken Mannes. Er stand mit etwas auseinandergespreizten Beinen, mit gefalteten Armen und gesenktem Kopf, als betrachte er grübelnd die ungeheure Einöde von Moor und Granit, die da vor ihm lag. So konnte man sich den bösen Geist denken, der an diesem furchtbaren Ort gebot. Der Sträfling war es nicht. Dieser Mann stand weit von der Stelle ab, wo Selden verschwunden war. Außerdem war er viel größer. Mit einem Ausruf der Überraschung streckte ich meinen Arm aus, um ihn dem Baronet zu zeigen; aber in dem Augenblick, wo ich mich zu Sir Henry umgedreht hatte, war der Mann verschwunden. Die scharfe Granitspitze hob sich noch immer vom unteren Rand der Mondscheibe ab, aber von der schweigenden und regungslosen Gestalt war jede Spur verschwunden.
    Ich wäre gern hingegangen und hätte die Felsspitze untersucht, aber die Entfernung bis dahin war ziemlich groß. Des Baronets Nerven waren noch von jenem Geheul angegriffen, das ihm die düstere Geschichte seiner Familie zum Bewusstsein gebracht hatte, und er war nicht in der Stimmung, noch neue Abenteuer aufzusuchen. Er hatte den einsamen Mann auf der Felsenspitze nicht gesehen und hatte den Schauer nicht gefühlt, der bei dem Anblick der seltsamen, mächtigen Gestalt mich durchrieselt hatte.
    »Ohne Zweifel einer von den Zuchthausaufsehern!«, bemerkte Sir Henry. »Seit der Flucht dieses Kerls hat das Moor von ihnen gewimmelt.«
    Nun, vielleicht mag er mit dieser Erklärung recht haben, aber es wäre mir doch lieb, noch weitere Beweise dafür zu erhalten. Heute gedenken wir, den Beamten von Princetown mitzuteilen, wo sie nach ihrem Flüchtling suchen müssen, aber es tut uns doch außerordentlich leid, dass wir nicht den Triumph gehabt haben, ihn als unseren eigenen Gefangenen einzuliefern.
    Dies sind die Abenteuer der letzten Nacht, mein lieber Holmes, und Sie werden anerkennen, dass ich Sie mit meinem Bericht sehr gut bedient habe. Ohne Zweifel wird vieles von dem Angeführten ohne jede Bedeutung sein, ich bin aber überzeugt, es ist das Beste, wenn ich Ihnen alle Tatsachen ohne Ausnahme überliefere und Sie selber Ihre Auswahl treffen lasse, um Ihre Schlüsse zu bilden. Ganz sicherlich machen wir Fortschritte. In Bezug auf die Barrymores haben wir den Beweggrund ihrer Handlungsweise ausfindig gemacht, und das hat die Lage ganz bedeutend aufgeklärt.
    Aber das Moor mit seinen Geheimnissen und seinen seltsamen Bewohnern bleibt unergründlich wie immer. Vielleicht kann ich in meinem nächsten Brief auch diese Dunkelheit ein wenig aufhellen. Am allerbesten aber wäre es, Sie kämen selber zu uns herüber.

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