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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass sein Essen ihm von einem Knaben gebracht wird. Ich sehe ihn jeden Tag durch mein Fernrohr, das oben auf meinem Dach steht. Er geht immer um dieselbe Stunde denselben Weg entlang, und zu wem sollte er gehen als zu dem Sträfling?«
    Das war allerdings wirklich Glück! Doch trotz meiner inneren Freude unterdrückte ich jedes Anzeichen von Neugier. Ein Knabe! Barrymore hatte gesagt, unser Unbekannter würde von einem Knaben bedient. Auf dessen Spur und nicht auf die des Sträflings war Frankland geraten! Wenn ich ihn dazu bringen konnte, mir alles zu sagen, was er wusste, so ersparte mir das vielleicht eine lange und mühsame Jagd. Aber das beste Mittel, um diesen Zweck zu erreichen, waren offenbar zur Schau getragene Ungläubigkeit und Gleichgültigkeit.
    »Meiner Meinung nach dürfte es wahrscheinlicher sein, dass der Junge der Sohn irgendeines Moorschäfers ist und seinem Vater das Mittagessen bringt.«
    Bei dem geringsten Widerspruch sprühte der alte Autokrat sofort Feuer und Flammen. Er sah mich mit einem giftigen Blick an und seine grauen Barthaare sträubten sich wie die eines wütenden Katers.
    »Was Sie nicht sagen!«, rief er, und damit streckte er den Finger in Richtung Moor aus. »Sehen Sie dahinten den Black Tor? Sehen Sie darunter den niedrigen Hügel mit dem Dornbusch drauf? Es ist der steinigste Teil des ganzen Moores. Würde wohl ein Schäfer da sein Standquartier aufschlagen? Ihre Meinung, Herr, ist im höchsten Grad abgeschmackt!«
    Ich antwortete ganz kleinlaut, ich hätte gesprochen, ohne alle diese Tatsachen zu kennen. Meine Unterwürfigkeit gefiel ihm und veranlasste ihn zu weiteren vertraulichen Mitteilungen.
    »Verlassen Sie sich darauf, Doktor, ich habe meine guten Gründe, bevor ich mir eine Meinung bilde. Ich sah den Jungen wieder und immer wieder mit seinem Bündel. Jeden Tag und oft sogar zweimal täglich konnte ich – aber warten Sie doch mal, Doktor Watson! Täuschen meine Augen mich oder bewegt sich gerade in diesem Augenblick etwas den Hügel hinauf?«
    Die Entfernung betrug mehrere Meilen, aber ich konnte ganz deutlich auf dem dunkelgrauen und grünen Grund einen schwarzen Fleck sich abheben sehen.
    »Kommen Sie, kommen Sie!«, rief Frankland und rannte dabei die Treppe hinauf. »Sie sollen mit Ihren eigenen Augen sehen und selber urteilen.«
    Das Fernrohr, ein riesiges Instrument auf einem dreibeinigen Gestell, stand auf dem flachen Dach des Hauses. Frankland legte das Auge an das Glas und stieß einen Schrei der Genugtuung aus.
    »Schnell, Doktor Watson, schnell! Sonst verschwindet er über dem Hügelgipfel!«
    Richtig, da ging ein Junge mit einem kleinen Bündel auf der Schulter. Er stieg langsam den Hügel hinauf, und als er oben war, sah ich einen Augenblick lang die zerlumpte Gestalt sich gegen den kalten blauen Himmel abheben. Er sah sich mit scheuem Wesen um, wie einer, der verfolgt zu werden fürchtet. Dann verschwand er jenseits des Hügels.
    »Na, hab ich recht?«
    »Jedenfalls ging da ein Junge, der irgendeine geheime Besorgung zu machen scheint.«
    »Und was das für eine Besorgung ist, das könnte sogar ein Grafschaftspolizist erraten! Aber kein Wort sollen sie von mir darüber erfahren, und ich verlange auch von Ihnen Verschwiegenheit, Doktor Watson. Kein Wort! Verstehen Sie?«
    »Ganz, wie Sie wünschen.«
    »Sie haben mich schändlich behandelt – schändlich! Wenn im Prozess Frankland gegen Reginam die Tatsachen ans Licht kommen, wird – das darf ich wohl annehmen – ein Schrei der Entrüstung durchs Land gehen! Nichts könnte mich dazu bringen, der Polizei in irgendeiner Weise beizustehen. Die hätte ja ruhig mit zugesehen, wenn ich selber anstatt meines Abbildes von den Schurken da auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden wäre ... Aber Sie gehen doch nicht schon? Sie werden mir doch noch helfen, zu Ehren dieses großen Anlasses die Karaffe zu leeren?«
    Aber ich blieb allen Einladungen gegenüber standhaft und schließlich gelang es mir auch, ihn von seiner Absicht abzubringen, mich nach Baskerville Hall zu begleiten. Solange er mir noch mit den Augen folgen konnte, blieb ich auf der Straße; dann aber bog ich vom Weg ab in das Moorland hinein und schritt auf den Felsenhügel zu, auf dessen Kuppe der Junge verschwunden war. Alle Umstände hatten sich zu meinen Gunsten gewandt, und ich schwor mir selber zu, wenn der glückliche Zufall mir keinen Erfolg brächte, sollte dies jedenfalls nicht an Mangel an Tatkraft oder

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