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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Ausdauer von meiner Seite liegen.
    Die Sonne näherte sich bereits dem Horizont, als ich den Gipfel des Hügels erreichte, und die langgestreckten Schluchten zu meinen Füßen glänzten auf der einen Seite in goldigem Grün und waren auf der anderen in graue Schatten gehüllt.
    Aus dem Nebelstreifen, der in der Ferne den Horizont verbarg, ragten die phantastisch geformten Umrisse des Belliver und des Viren Tor hervor. Auf der ganzen weiten Fläche kein Laut, keine Bewegung! Ein großer grauer Vogel, eine Möwe oder ein Brachvogel, schwebte hoch über mir in der blauen Luft. Er und ich schienen die einzigen lebenden Wesen zwischen dem Riesengewölbe des Himmels und der weiten Wüste zu sein. Die traurige Landschaft, das Gefühl der Einsamkeit, das Geheimnisvolle und Dringliche meiner Aufgabe – dies alles ergriff mein Herz mit einem kalten Schauer. Der Junge war nirgends zu sehen. Aber tief unter mir in einer Schlucht war ein Kreis der alten Steinhütten, und in ihrer Mitte bemerkte ich eine, die noch hinreichend gut erhalten war, um gegen die Unbilden des Wetters Schutz bieten zu können. Das Herz klopfte mir, als ich sie sah. Dies musste das Versteck sein, worin der Fremde hauste. Endlich berührte mein Fuß die Schwelle seiner Zufluchtsstätte – sein Geheimnis lag greifbar vor mir.
    Vorsichtig näherte ich mich der Hütte – ich musste an Stapleton denken, wenn er mit seinem Netz sich an den Schmetterling heranschlich, der sich auf eine Pflanze niedergelassen – und ich bemerkte mit Befriedigung, dass die Stätte wirklich als Wohnung benutzt worden war. Ein kaum erkennbarer Fußweg führte zwischen den Granitblöcken hindurch zu dem verfallenen Eingang der Hütte. Drinnen war alles still. Vielleicht hielt der Unbekannte sich dort versteckt, vielleicht aber streifte er auf dem Moor umher. Die Erregung der Abenteuerlust hielt meine Nerven auf das höchste gespannt. Ich warf meine Zigarette weg, umspannte mit der Faust den Kolben des Revolvers und ging schnellen Schrittes auf die Tür zu. Ich sah hinein. Der Raum war leer.
    Aber es waren Anzeichen in Hülle und Fülle vorhanden, die dafür sprachen, dass ich auf keiner falschen Fährte war. Ganz bestimmt musste der Mann hier wohnen. In einen wasserdichten Regenmantel eingewickelt lagen mehrere Wolldecken auf der Steinplatte, die schon den Heiden der Vorzeit als Schlummerstätte gedient hatte. Auf einem primitiven Feuerrost lag ein Haufen Asche. Daneben bemerkte ich einige Küchengeräte und einen halbvollen Wassereimer. Eine Anzahl aufeinander geworfener leerer Zinnbüchsen bewiesen mir, dass die Hütte schon seit einiger Zeit bewohnt sein müsse, und als meine Augen sich erst an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah ich in der Ecke eine Pfanne und eine angebrochene Flasche Branntwein.
    Mitten im Raum lag ein flacher Stein, der als Tisch diente, und auf diesem lag, in ein Tuch eingewickelt, ein kleines Bündel – ohne Zweifel dasselbe, das ich durch das Fernrohr auf der Schulter des Jungen bemerkt hatte. Es enthielt einen Laib Brot, eine Büchse mit Zunge und zwei Dosen mit eingemachten Pfirsichen. Ich prüfte alle diese Gegenstände sorgfältig, und als ich sie wieder hinsetzte, bemerkte ich plötzlich mit Herzklopfen, dass unter dem Bündel ein Blatt Papier lag, worauf etwas geschrieben war. Ich nahm es in die Hand und las folgende Worte, die in unbeholfenen Zügen mit Bleistift gekritzelt waren:
    »Doktor Watson ist nach Coombe Tracey gefahren.« Eine Minute lang stand ich, das Papier in der Hand haltend, regungslos da. Was bedeutete diese kurze Botschaft? So war ich es also und nicht Sir Henry, der von diesem geheimnisvollen Mann belauert wurde? Er war mir nicht selber gefolgt, sondern hatte mir einen Agenten – vielleicht den Jungen – auf die Spur gehetzt, und dies war der Bericht. Vielleicht hatte ich seit meiner Ankunft auf dem Moor keinen einzigen Schritt getan, der nicht beobachtet und berichtet worden war!
    Immer wieder drängte sich mir das Gefühl auf, dass eine unsichtbare Macht uns umgab, dass mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Sorgfalt ein feines Netz um uns gespannt war – ein so leichtes und feines Netz, dass wir nur in gewissen, entscheidenden Augenblicken uns bewusst wurden, wirklich in die Maschen desselben verstrickt zu sein.
    Wenn der Fremde einen schriftlichen Bericht empfangen hatte, mochten wohl auch deren mehrere vorhanden sein; ich durchsuchte deshalb die ganze Hütte danach, fand indessen nicht das allergeringste Derartige.

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