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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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gelungen, Colonel Moran auf die Amnestieliste des Königs setzen zu lassen.« Kurz hielt er inne, offenbar dachte er nach. Dann fuhr er fort: »Leider kann ich mir keinen Reim darauf machen, um wen es sich dabei handeln könnte. Ohne mein Kriminalarchiv komme ich nicht weiter. Aber auf einer der zahlreichen Karteikarten mit den vielfältigen Querverbindungen zu Professor Moriarty wird sich der entsprechende Hinweis finden lassen, da bin ich mir ganz sicher. Wohl oder übel müssen wir uns bis zu unserer Rückkehr nach Hause in Geduld fassen. Spätestens dann bricht das Kartenhaus in sich zusammen. Doch nun genug geschwatzt. Wir müssen unsere Kräfte schonen und uns zur Ruhe begeben, ganz egal, wie misslich die äußeren Umstände auch sein mögen. Immerhin haben wir jeder ein eigenes Bett zur Verfügung und müssen nicht auf einer fauligen Schütte Stroh schlafen. Am morgigen Tag werden wir alleunsere Verstandeskräfte brauchen. Uns steht eine schwere Aufgabe bevor. Auf Hilfe von außen können wir nicht bauen. Also müssen wir uns einem Baron Münchhausen gleich am eigenen Schopf aus diesem Sumpf hier ziehen.«
    Ich schloss die Augen und verdrängte alle unliebsamen Gedanken aus meinem Kopf. Als alter Soldat beherrschte ich die Kunst, quasi auf Befehl einzuschlafen. Ich machte es mir unter einer muffigen Pferdedecke gemütlich, auf der die Flöhe Stepptanz übten. Langsam begann ich zu schweben. Sanftes Licht erstrahlte. Ich war wieder daheim in London. Die Zeit der Entbehrungen war vorüber. Alle Not hatte ein Ende. Ich stand vor meinem Haus. Die Tür öffnete sich. Meine liebe Frau kam mir entgegengeeilt und streckte ihre Arme nach mir aus. Es roch nach Pfirsichblüten. Doch dann wurde dieser süße Duft von etwas anderem, Widerwärtigem überlagert…
    Wie von der Tarantel gestochen schnellte ich hoch. Ich kannte den Gestank, der mich umgab, nur zu gut aus den Armee-Baracken der Northumberland-Füsiliere: Er stammte von Schaben! Dieses ekelhafte Ungeziefer besitzt Organe, welche in irreführender Weise »Duftdrüsen« genannt werden. Das ganze Gegenteil ist nämlich der Fall. Aus diesen sogenannten Duftdrüsen werden ekelerregende Stoffe, sogenannte Pheromone, abgegeben, die bei dem Ungeziefer die Paarung stimulieren, bei den meisten Menschen hingegen einen Brechreiz auslösen. Durch mein jähes Erschrecken aufgescheucht sausten Hunderte Beine davon. Auf meiner Decke kribbelte und krabbelte es hin und her. Beißwerkzeuge zischelten aufgeregt. Das war kein Spaß. Schaben sind als Krankheitsüberträger bekannt. Typhus, Cholera, Tuberkulose und Ruhr werden durch sie verbreitet.
    »Holmes«, rief ich voller Panik, »was soll ich tun, ich werde von einer Heerschar widerlicher Kakerlaken angegriffen.«
    »Da hilft nur noch eins, du musst eine Flamme entzünden. Die Biester sind lichtscheu. Sie verschwinden dann von ganz allein.«
    »Ich weiß, ich weiß, aber wie soll ich das anstellen? Ich habe weder ein Feuerzeug noch einen Fidibus.«
    »Sieh unter deiner Pritsche nach. Bei mir steht dort ein hölzerner Kasten. In ihm befinden sich ein Blechteller, eine Emailletasse, ein Kerzenstummel und Zündhölzer.«
    Ich legte mich auf den Boden und tastete in der völligen Finsternis blindlings umher. Ich griff in etwas Weiches, Warmes, Haariges, welches aufgeregt quiekend davonstob. Schließlich fand ich auch den Behälter. Ich nahm ein Phosphorhölzchen heraus und riss es an der Wand an. Eine braune Ungezieferflut verschwand knisternd in einem Mauseloch. Ich zündete die Kerze an, ließ sie den Rest der Nacht lang brennen und hatte Ruhe bis zum Morgen vor den ekelhaften Schaben, Ratten und Mäusen. Nur die Flöhe quälten mich.
    Als die Morgensonne den Gang erhellte, fiel mein Blick auf eine eingeritzte Inschrift an der Wand. Dort stand gut leserlich geschrieben:
Achtung, Ungeziefer! Nur bei Licht schlafen!
    Ich stand auf und machte meine Morgentoilette. Dann suchte ich meinen rechten Schuh. Der linke stand ordnungsgemäß an Ort und Stelle. Sein Bruder hingegen war spurlos verschwunden. Schließlich fand ich ihn in der äußersten Ecke unter meiner Pritsche. Eine Ratte hatte ihn offensichtlich als Delikatesse angesehen und vergeblich versucht, ihn in ein Loch zu zerren. Dabei hatte mein gutes Stück schweren Schaden genommen. Die Schuhspitze fehlte gänzlich. Das weiche Oberleder wies zahlreiche Kratz-und Bissspuren auf. Im Inneren schwamm eine gelbliche Pfütze, auf der winzige, schwarze Kotbrocken trieben. Von ihrem

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