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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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gewesen sein. Der Gräfin wurde mitten in die Stirn geschossen. Bei einem Treffer aus nächster Nähe wären mit der Kugel Pulverreste auf das Gesicht des Opfers gelangt und dort sichtbar als schwarzer Kranz um die Eintrittsöffnung herum zurückgeblieben«, entgegnete Holmes. »Aber Sie werden keine finden, denn der Mord wurde aus großer Entfernung mit einer Windbüchse verübt. Darüber hinaus stimmen weder die Kaliber noch die Geschosslängen überein. Eine Revolverkugel ist nur halb so lang wie die Munition von einem Luftgewehr.«
    Der Kriminalkommissar machte ein missmutiges Gesicht. »Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Aber sei dem, wie ihm wolle. Inzwischen hat ein verlässlicher Zeuge zu Ihren Gunsten ausgesagt. Der ehemalige Polizeibeamte Carl Ahlersmeyer schwört Stein und Bein, dass Sie direkt neben seinem Pavillon gestanden haben, als der tödliche Schuss auf die Gräfin Boreska fiel, und zwar aus östlicher Richtung. Außerdem ist die Gräfin 1,69 Meter groß. Bei dem von mir festgestellten Schusswinkel hätte der Täter auf einer Kiste vor ihr stehen müssen. Deshalb scheiden Sie de facto als Mordverdächtige aus.«
    »Diese Logik nenne ich messerscharf. Wie haben Sie den Schusswinkel ermittelt?«
    »Ganz einfach: Ich habe einen Bleistift in die Wunde gesteckt.«
    »Das nenne ich saubere Polizeiarbeit!«, entgegnete Holmes.
    »Ihre Ironie können Sie sich sparen. Außerdem sind Sie zunächst aus einem ganz anderen Grund festgenommen worden. Falls Sie sich erinnern: Sie wurden durch einen wackeren Amtsgenossen von der Bahnwacht auf frischer Tat ertappt, als Sie einen harmlosen Maurer mit einem Revolver bedrohten. Von dem Mord an der Gräfin war zu diesem Zeitpunkt noch nichts bekannt gewesen. Ohnehin haben Sie sich unbefugt auf fremden Gelände aufgehalten und kurz zuvor einen Einbruch begangen, indem Sie widerrechtlich eine verschlossene Tür öffneten. Zusammengenommen reichen diese Straftaten für ein paar Jahre im Steinbruch. Das Motiv Ihres Handelns liegt für mich allerdings noch im Dunkeln.«
    »Wo ist der Mann, also dieser angebliche Maurer? Hier bei Ihnen in Gewahrsam?«
    »Nein, er stand begreiflicherweise unter Schock und bat darum, nach Hause gehen zu dürfen. Zu Ihrem Glück, kann ich da nur sagen. Er hat nämlich keine Strafanzeige gegen Sie erstattet. Mir sind deshalb in doppelter Hinsicht die Hände gebunden. Ich muss die Ermittlungen gegen Sie einstellen.«
    »Haben Sie zumindest die Identität dieses Menschen festgestellt?«
    »Nein, wie schon gesagt, die Bahnwacht hatte Sie beide festgenommen. Als meine Männer vor Ort eintrafen, herrschte dort ein ziemliches Durcheinander.«
    »Dann ist Ihnen der Mörder der Gräfin also entkommen. Wunderbar. Konnten Sie wenigstens die Tatwaffe sicherstellen?«
    »Bis jetzt noch nicht. Wir sind uns aber gewiss, dass aufgrund des Schusswinkels von einem erhöhten Standort ausin der Osthalle geschossen wurde. Inspektor Belzig wird mit seinen Leuten jetzt alles gründlich unter die Lupe nehmen.«
    Holmes stöhnte verzweifelt über diese grenzenlose Inkompetenz.
    Der Kriminalkommissar begann zu stottern: »Nach den Paragrafen 453 bis 458 Strafgesetzbuch hat eine Polizeibehörde das Recht, bei Gefahr in Verzug auf bis zu vierzehn Tage Haft zu erkennen. Wir haben also völlig korrekt gehandelt, denn die Liste der Anwürfe gegen Sie ist lang.«
    »Und was war mit unseren Rechten als Untersuchungsgefangene auf Selbstbeköstigung, Lektüre und Zwiesprache mit einem Verteidiger?«
    »Dazu war es gestern schon zu spät. Heute ist dies alles nicht mehr notwendig, da Sie alsbald in die Freiheit entlassen werden.«
    »Wie Sie inzwischen wissen, sehr verehrter Herr Baron, bin ich meines Zeichens ein beratender Detektiv im Ruhestand. Ich habe für die bekanntesten Herrscherhäuser in ganz Europa gearbeitet, trage den Orden der französischen Ehrenlegion und sollte in den britischen Adelsstand erhoben werden. Mein Freund Dr. John Watson hier an meiner Seite ist ein bekannter Arzt. Ein kurzes Gespräch gestern Abend hätte sofortige Klarheit über unsere Professionen gebracht. Oder wollen Sie mir etwa erzählen, Sie würden mit allen Personen gleichermaßen verfahren, unabhängig von deren Stand und Gewerbe? Es wäre Ihnen ganz egal, ob der Anfangsverdacht auf den preußischen Innenminister, den Reichsverweser eines Balkanstaates oder den Fürsten von Schaumburg-Lippe gefallen wäre?«
    Der Kommissar reckte die Brust und fuhr fort: »Nicht nur vor Gott

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