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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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sind alle Menschen gleich. Ich kenne die Gesetzlichkeit sehr wohl und achte peinlich genau auf ihre Befolgung.«
    »In welcher Eigenschaft tun Sie dies? In der eines Kriminalkommissars oder in der eines verurteilten Straftäters?«
    Der Baron wurde leichenblass. Alles Blut war aus seinem Gesicht gewichen. »Hüten Sie Ihre Zunge! Beamtenbeleidigung ist in Deutschland kein Kavaliersdelikt. Zu Ihrem Glück sind Sie als dahergelaufener englischer Haderlump nicht satisfaktionsfähig. Anderenfalls müsste ich Sie jetzt zum Duell fordern. Bei einem Zweikampf auf Leben und Tod würden Sie sehr rasch Ihre frechen Reden bereuen.«
    »Womit wir an dem betreffenden Punkt wären. An Ihrer linken Wange tragen Sie einen sichtbaren Schmiss. Duelle sind seit dem Jahr 1871 im Deutschen Reich verboten. Es würde mich also sehr wundern, wenn Sie nicht vor Gericht gestanden hätten.«
    »Zugegebenermaßen bin ich tatsächlich Burschenschafter in einer schlagenden Verbindung gewesen«, lenkte der Baron ein. »Das ist aber nichts Schlechtes, sondern entspringt einer langen, deutschen Tradition. Die erste Burschenschaft wurde von Jenaer Studenten im Jahr 1815 unter dem erhebenden Eindruck des Befreiungskrieges gegründet. Sicherlich enthält das Strafgesetzbuch im Paragrafen 201 fortfolgende die den Zweikampf betreffenden Bestimmungen, die pro forma auch auf die Mensuren angewendet werden. Eine Studentenmensur ist jedoch nichts weiter als eine Kraft-und Mutprobe, also ein reines Übungsduell. Alle meine Kameraden waren Paukanten [ 3 ] und hatten Schmisse. Auch der Richter in meinem Strafprozess trug voller Stolz seine Narbe. Er hat eine Weile mit mir über alte Zeiten geplaudert und mich dann zu drei Monaten Festungshaft [ 4 ] verurteilt. Deshalb gelte ich als nicht vorbestraft. Aber als Ausländer können Sie das nicht wissen und ebenso wenig alle hiesigen Gepflogenheiten auf dem weiten Feld der deutschen Jurisprudenz.«
    »Nun gut, hätten wir das also auch besprochen«, erwiderte Holmes.
    Betretenes Schweigen machte sich breit.
    Nun setzte ich, wie von allen guten Geistern verlassen, zu einem kühnen Vorstoß an. »›In solcher Zeit wie dieser ziemt es sich nicht, dass jeder kleine Fehl bekrittelt werde‹«, zitierte ich Shakespeare [ 5 ] .
    Doch zu meinem Glück waren es Worte der Erlösung. Die äußerst feindselige Atmosphäre verflüchtigte sich mit einem Schlag. Holmes zwinkerte mir anerkennend zu und spann den Faden sogleich weiter: »Exzellenz, wenn Sie erlauben, mein Magen knurrt und spricht zu mir. Er sagt, wenn nicht alsbald eine heiße Kanne Kaffee in ihn hineingluckert, wird er sehr sauer werden. Bitte empfehlen Sie uns also ein gutes Lokal in der Nähe und seien Sie unser Gast. Wir wollen gemeinsam einen neuen Anfang wagen.«
    Der Baron wirkte sichtlich erleichtert und ging sofort darauf ein. »Sehr wohl, die Herren. Schräg gegenüber vom Naschmarkt, wo wir uns derzeit befinden, liegt der
Auerbachs Keller
. Er wurde durch die Sage über Doktor Faustus berühmt. Der Dichterfürst Johann Wolfgang Goethe hat ihn in einem seiner Stücke beschrieben. In ebendiesem weitläufigen Gewölbe hat sich das Polizeiamt auf Dauer einen separaten Raum reservieren lassen. Meine Kollegen und ich pflegen dort regelmäßig zu speisen. Die Küche ist gut und reichhaltig, die Preise sind moderat. Doch bevor wir aufbrechen, bekommen Sie selbstverständlich Ihre Asservaten ausgehändigt. Es muss ja schließlich alles seine Ordnung haben. Sonst setzt es am Ende noch eine Beschwerde.«
    Im Foyer des Polizeiamts begegneten wir dem Wachmann Schulz. Holmes sprach ihn an: »Vielen Dank, mein Lieber, dass Sie uns gestern so warmherzig empfangen haben undauch heute unser Begleiter waren. So viel Pflichtbewusstsein verdient die höchste Anerkennung.«
    »Gern geschehen, der Herr.«
    »Bitte händigen Sie mir einen kurzen Moment Ihren Schlagstock aus. Ich möchte ihn einmal näher in Augenschein nehmen und seine Qualität mit der seiner englischen Brüder vergleichen.«
    Der Polizist runzelte verdutzt die Stirn und sah zu seinem Vorgesetzten. Der nickte ihm aufmunternd zu. Wachtmeister Schulz tat, wie ihm geheißen.
    Holmes nahm den Knüppel entgegen, umfasste ihn mit der rechten Hand und rammte ihn seinem Gegenüber ohne Vorwarnung in die Rippen. »Mit Verlaub, wir beide hatten noch eine Rechnung offen. Doch nun sind wir quitt.«
    Der Polizist quiekte wie jene Ratte nachts in meiner Zelle. Mit einem säuerlichen Grinsen und in leicht gekrümmter Haltung

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