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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden
Autoren: Wolfgang Schüler
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roch daran. Es schien sich um Wundsalbe zu handeln. Ich verteilte sie auf meiner verletzten Hand. Die Salbe sollte eine schützende Hülle bilden, Reizungen verhindern, die Haut geschmeidig halten, sie vor Austrocknung bewahren und den Heilungsprozess fördern. Anschließend wickelte ich eine Binde darum. Im Dunkeln und mit nur einer Hand konnte ich keine Meisterleistung vollbringen, aber es musste reichen.
    Nachdem diese dringende ärztliche Notversorgung erledigt war, durfte ich keine weitere Zeit mehr verlieren. Nur während der Fahrt bestand eine reale Möglichkeit zur Flucht. Mit der Ankunft oben auf der Burg wären meine Chancen vertan.
    In dem Krankenwagen gab nur eine einzige Tür. Sie befand sich an der Rückseite und ging nach außen auf. Ich rüttelteam Knauf. Vergebens, sie war ordnungsgemäß abgesperrt worden. Ich hätte versuchen können, das Schloss mit roher Gewalt aufzubrechen, also entweder davorzutreten oder mich mit meinem Körpergewicht dagegenzuwerfen. Doch beide Varianten kamen nicht infrage. Sie waren viel zu gefährlich. Wenn die Tür mit einem Ruck aufflog, hätte ich auf die Straße purzeln und mir schwere Verletzungen zuziehen können. Außerdem wäre der Chauffeur durch den Lärm aufmerksam geworden. Er hätte angehalten und mich auf der Stelle erschossen. Ich musste mir also etwas anderes einfallen lassen.
    Der Kastenaufbau des Krankenwagens war durch eine Luke vorne mit dem Führerhaus verbunden. Bei normalen Fahrten konnten sich der Krankenpfleger und der Fahrer durch die Öffnung miteinander unterhalten. Die Klappe war momentan geschlossen.
    Ich kroch auf allen vieren auf dem Boden herum und suchte nach einem geeigneten Werkzeug. Schließlich fand ich einen zweiten Kasten. In ihm befanden sich ein Tonkrug und eine zinnerne Klysopompe [ 3 ] mit Elfenbeinspitze. Das Fassungsvermögen von diesem Instrument betrug etwa einen halben Pint. [ 4 ] Ich öffnete den Tonkrug und roch an der Flüssigkeit. Es schien sich um reines Wasser zu handeln. Doch das machte nichts. Für meine Zwecke hätte selbst Urin völlig ausgereicht. Ich steckte die Spitze in den Tonkrug und zog an dem Kolben, der sich hinten am Klistier befand. Die Klysopompe füllte sich und wog nun angenehm schwer in meiner Hand.
    Nun galt es, den Überraschungsmoment auszunutzen. Mit einem Ruck riss ich die Luke auf. Der Fahrer hörte das Geräusch. Er reagierte wie erwartet und drehte sich zu mir um. Im gleichen Moment stieß ich das Klistier mit aller Kraft,die ich aufbringen konnte, durch die Öffnung zu ihm nach vorn. Es gab ein hässliches, dumpfes Geräusch, als sich die Elfenbeinspitze in das linke Auge von Colonel Moran bohrte. Er war sofort tot, rutschte in sich zusammen und fiel vom Sitz. Das Klistier blieb stecken. Er nahm es mit sich.
    Das Krankenauto war führerlos geworden. Als weitere Folge meiner Attacke hatte Colonel Moran das Steuer verrissen. Der Wagen brach nach links aus und rollte mit Karacho einen Abhang hinunter. Unterwegs walzte er mehrere kleine Bäume nieder und schlingerte von links nach rechts. Ich verlor das Gleichgewicht und kullerte auf dem Fußboden von meinem Gefängnis umher.
    Dann gab es einen lauten Knall, verbunden mit einem starken Ruck. Das Automobil war gegen einen Baum geprallt und an der Weiterfahrt gehindert worden. Der Krankenwagen stand noch auf seinen Rädern, aber der Motor arbeitete nicht mehr. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden hörte ich, wie aus einem Kühler zischender Dampf austrat. Mir taten sämtliche Glieder weh. Ich fühlte mich wie ein Knochensack, der gründlich durchgeschüttelt worden war. Am Kopf hatte ich eine Platzwunde davongetragen. Blut lief mir über das Gesicht. Aber ich lebte. Das war im Moment die Hauptsache.
    Ich spürte, wie mein Kreislauf zusammenbrach. Ich stand unter Schock und musste mich für einen Moment auf der Pritsche hinlegen. Glücklicherweise fand ich eine Wolldecke, in die ich mich hüllen konnte. Dann hörte ich ein merkwürdiges Geräusch. Ich konnte es nicht zuordnen. Endlich merkte ich, dass es meine Zähne waren, die laut klapperten.
    Nach einer Weile ging es wieder. Ich stand auf und nahm das Problem mit dem Ausgang in Angriff. Von der Logik her hätte ich nun versuchen können, die verschlossene Tür gewaltsam aufzubrechen. Ich konnte nicht mehr auf die Straßepurzeln, und auch der Fahrer stellte keine Gefahr mehr dar. Ich unterließ es trotzdem.
    Aus meiner ärztlichen Erfahrung wusste ich, dass es nicht ratsam war, sich mit der
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