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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden
Autoren: Wolfgang Schüler
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keine Zuschauer. Auch der Hirsch ließ sich nicht blicken.
    Holmes wusch mir die Wunden aus. Er trug die Heilsalbe auf und legte Verbände an. All dies tat er professioniert wie ein ausgebildeter Krankenpfleger. Einzig als er die Binde an meiner Hand wechselte und den zerschnittenen Birkenporling auflegte, merkte ich, wie er leicht zusammenzuckte. Anschließend legte er seinen Mantel um mich und stülpte mir seinen Deerstalker auf den Kopf.
    Nach einer Weile begannen der Beinwurz, der Birkenporling und die Heilsalbe zu wirken, und ich fühlte mich etwas besser.
    »So, jetzt gibt es vor dem eigentlichen Frühstück eine leichte Zwischenmahlzeit«, bedeutete mir Holmes und breitete einige Pflanzen vor mir aus. »Das hier ist Spitzwegerich. Mit einigen jungen Brennnesselblättern vermischt schmeckt er wie Salat und wirkt außerdem reizmildernd. Als Nachtisch kannst du diese Hagebutten knabbern. Sie schmecken sehr süß und können roh gegessen werden. Du musst lediglich die kleinen Kerne entfernen. Von diesem Gericht wirst du zwar nicht satt, aber du bekommst wenigstens etwas in den Magen.«
    Ich nahm die Gabe dankbar an, trank einen Schluck Wasser und berichtete sodann meinem Freund in allen Einzelheiten, welchen schweren Prüfungen ich mich hatte stellen müssen und was mir an unerquicklichen Leiden widerfahren war.
    Holmes’ sorgenvolles Gesicht verfinsterte sich ein um das andere Mal. »Colonel Moran hat seinen Teil bereits bekommen,aber auch die anderen Brüder sollen nicht leer ausgehen. Das schwöre ich dir.«
    Dann erzählte er mir, was er erlebt hatte. Sein Bericht fiel wesentlich kürzer aus. Er war mir unbemerkt gefolgt und hatte sich zunächst in einem Gebüsch in Sichtweite vom
Haus Sonnenschein
versteckt. Es gelang ihm schnell, herauszufinden, in welchem Zimmer ich steckte. Er beobachtete das Fenster, konnte jedoch nicht direkt in den Raum hineinsehen. Aus diesem Grund blieben ihm sowohl der Giftanschlag auf mich als auch der nachfolgende Besuch von Schleuben-Aumont verborgen. Den Krankenwagen sah er zwar kommen, dachte sich jedoch zunächst nichts weiter dabei. Auf dem Sanatoriumsgelände waren mehrfach Krankenwagen unterwegs gewesen.
    »Weißt du, Watson«, beichtete mir Holmes reichlich zerknirscht, »ich war dumm, borniert, eitel. Ich glaubte allen Ernstes, ich hätte die Sache im Griff. Stattdessen haben mich diese Verbrecher vorgeführt und mit einem billigen Taschenspielertrick reingelegt. Dabei predige ich doch immer: Achte auf das Gewöhnliche im Ungewöhnlichen.«
    Erst als der Krankenwagen in Richtung Tor an ihm vorbeifuhr, wurde für einen Moment die Silhouette des Fahrers sichtbar. Holmes erkannte Colonel Moran und erriet sogleich, was da gespielt wurde. Er rannte hinter dem Auto her und konnte bis zum Tor mit ihm Schritt halten. Doch draußen auf der Straße beschleunigte der Krankenwagen und verschwand um die nächste Kurve. Holmes sah sich suchend um. Einige Schritte von ihm entfernt stand ein Mann mit Lederhaube neben einem aufgebockten Motorrad. Er hatte es angetreten und wollte es justament vom Ständer schieben, als ihn mein Freund grob beiseitestieß und nach dem Lenker griff. Holmes sprang in den Sattel, gab Gas undnahm die Hetzjagd auf. Die meiste Zeit fuhr er ohne Licht, um nicht aufzufallen. Das ging eine ganze Weile gut. Selbst mitten im Wald schien der Fahrer den Verfolger nicht zu bemerken. Doch plötzlich ging der Kraftstoff zur Neige. Der Motor begann zu stottern, das Motorrad blieb stehen.
    Das Blatt hatte sich gewendet. Auf dem einsamen Waldweg gab es keinen weiteren Verkehr. Holmes musste zu Fuß weitergehen. Er war völlig verzweifelt und machte sich bittere Vorwürfe. Dennoch wollte und konnte er nicht aufgeben. Stunde um Stunde schleppte er sich durch den dunklen Wald. Nur der Mond wies ihm den Weg. Schließlich stieß er auf das Autowrack.
    »Mir blieb beinah das Herz im Leibe stehen, als ich die furchtbaren Spuren der Verwüstung und den Fahrer tot am Boden liegen sah. Aber die Liege war leer. Ich wartete bis zum Morgengrauen und folgte dann deinen Spuren. Der Schock steckt mir noch immer tief in den Knochen.«
    »Wie ich vorhin schon andeutete«, brachte ich das Gespräch auf ein anderes Thema, »brauche ich dringend ein heißes Wannenbad und saubere Kleider. Wir müssen irgendwie zu einer Ortschaft gelangen. Allerdings habe ich nicht die geringste Ahnung, in welche Richtung wir uns wenden sollten.«
    Holmes konnte mich beruhigen: »Ich habe mir die Karte gut
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